Schriftsatz gegen die Staatsfinanzierung des ESZB und der EZB vom 13. November 2012
In der Verfassungsbeschwerdesache 2 BvR 1421/12 ergänze ich die Anträge der Beschwerdeschrift vom 29. Juni 2012 um einen Antrag 7a:
7a Es wird hilfsweise, falls der Antrag zu 7 als unzulässig verworfen oder als unbegründet zurückgewiesen wird, festzustellen beantragt, daß die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Bundesregierung, den Beschwerdeführern aus Art. 38 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG sowie Art. 20 Abs. 4 GG verpflichtet ist, Nichtigkeitsklage gemäß Art. 263 Abs. 1 und 2 AEUV beim Europäischen Gerichtshof gegen den Kauf von Staatsanleihen von Mitgliedstaaten des Euro-Verbundes durch das System der Europäischen Zentralbanken und die Europäische Zentralbank oder die Entgegennahme solcher Staatsanleihen als Sicherheiten für Zentralbankkredite, sofern diese Maßnamen der Staatsfinanzierung dienen, und gegen das TARGET 2-System, soweit dieses fortgeführt wird, zu erheben.
Begründung
I. Zulässigkeit der Anträge zu 7 und 7a
Die Zulässigkeit auch der Anträge zu 5, 6 und 7 ist in der Verfassungsbeschwerde vom 29. Juni 2012 zu V, VI und VII auf den Seiten 90 ff., 106 ff., 115 ff. dargelegt. Zur Ergänzung wird vorgetragen:
Antrag zu 7
1a) Das Europäische System der Zentralbanken (im Folgenden ESZB) und die Europäische Zentralbank (im folgenden EZB) haben am 20. Dezember 2011 den Geschäftsbanken 500 Mrd. Euro mit Dreijahrestendern zu günstigsten Zinsen (1%) und gegen Sicherheiten zur Verfügung zu stellen beschlossen, die bis dahin in Europa in stabilitätsorientierten Staaten niemals zentralbankfähig waren, bis hin zu schlichten schuldscheinlosen Forderungen. Sieben Notenbanken der Euro-Krisenstaaten hat die EZB erlaubt, Sicherheiten auf eigenes Risiko zu akzeptieren, d. h. die Kreditbedingungen werden im Währungsverbund unterschieden. ESZB und EZB haben diese Aktion des Securities Markets Programmes (SMP) am 29. Februar 2012 mit 530 Mrd. Euro wiederholt. Diese Staatsfinanzierungsmaßnahmen sind bereits mit der Verfassungsbeschwerde vom 29. Juni 2012 gerügt.
Am 6. September 2012 hat die EZB beschlossen, daß sie dauerhaft und unbegrenzt Staatsanleihen der Staaten, welche sich unter einen Rettungsschirm, sei es die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) oder der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM), begeben haben, am Sekundärmarkt ankaufen werde, wenn diese Staaten die ihnen von EFSF oder vom ESM auferlegten strengen Konditionen erfüllen. Das Projekt nennt die EZB Outright Monetary Transactions, OMT. Die Konditionalität ist von der EZB wie folgt formuliert, in Englisch nach der ECB Veröffentlichung in deren Press Release:
“A necessary condition for Outright Monetary Transactions is strict and effective conditionality attached to an appropriate European Financial Stability Facility/European Stability Mechanism (EFSF/ESM) programme. Such programmes can take the form of a full EFSF/ESM macroeconomic adjustment programme or a precautionary programme (Enhanced Conditions Credit Line), provided that they include the possibility of EFSF/ESM primary market purchases.The involvement of the IMF shall also be sought for the design of the country-specific conditionality and the monitoring of such a programme.
The Governing Council will consider Outright Monetary Transactions to the extent that they are warranted from a monetary policy perspective as long as programme conditionality is fully respected, and terminate them once their objectives are achieved or when there is non-compliance with the macroeconomic adjustment or precautionary programme.
Following a thorough assessment, the Governing Council will decide on the start, continuation and suspension of Outright Monetary Transactions in full discretion and acting in accordance with its monetary policy mandate“.
b) Die Maßnahmen der EZB und des ESZB sind ausbrechende Rechtsakte, die ultra vires erfolgen. Die EZB und das ESZB haben keine Befugnis zur unmittelbaren oder mittelbaren Staatsfinanzierung. Der erkennende Senat hat das in dem Urteil über die Eilanträge in diesem Verfahren vom 12. September 2012 in den Absätzen 276 ff. (zu 3.) in aller Klarheit festgestellt. Daß die Maßnahmen entgegen den Bekundungen der EZB Staatsfinanzierung sind, ist bereits in der Beschwerdeschrift dargelegt und wird unten noch einmal näher zur Begründetheit dieser Beschwerde ausgeführt.
2 a, aa) Der Senat hat im Urteil vom 7. September 2011 in Sachen 2 BvR 987/10, 1485/10, 1099/10 in Absatz 116 (BVerfGE 129, 124 (175 f.)) den Satz aufgenommen:
„Die Rügen der Beschwerdeführer, ihre Grundrechte würden unmittelbar durch…den Aufkauf von Staatsanleihen Griechenlands und anderer Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes durch die Europäische Zentralbank verletzt, sind unzulässig, weil ihnen keine tauglichen Beschwerdegegenstände zugrunde liegen. Bei den angegriffenen Akten handelt es sich – unbeschadet anderweitiger Überprüfungsmöglichkeiten auf ihre Anwendbarkeit in Deutschland hin (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 126, 286 ) – nicht um von den Beschwerdeführern angreifbare Hoheitsakte deutscher öffentlicher Gewalt im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG und § 90 Abs. 1 BVerfGG“.
Nur gegen „Hoheitsakte deutscher öffentlicher Gewalt“ also würden Verfassungsbeschwerden erhoben werden können. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG ermöglicht aber die Verfassungsbeschwerde, „die von jedermann mit der Behauptung erhoben werden können, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrecht oder in einem seiner in Art. 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 enthaltenden Rechte verletzt zu sein“. § 90 Abs. 1 BVerfGG folgt dieser Formulierung. Die Maßnahmen der Europäischen Union, zu deren Organisation das ESZB und die EZB gehören, sind „öffentliche Gewalt“ und im übrigen Hoheitsakte. Daran hat das Bundesverfassungsgericht nie Zweifel gelassen. Diese Maßnahmen sind schließlich keine privaten Handlungen. So ist auch der mittelbare Erwerb von Staatsanleihen durch das ESZB öffentliche Gewalt genauso wie die Entgegennahme von Staatsanleihen als Kreditsicherheit.
bb) Der Senat hat im Urteil vom 7. September 2011 wie schon im Lissabon-Urteil in Absatz 179 das Element „deutscher“ hinzugefügt. Richtig ist, daß die deutschen Grundrechte, nämlich die durch das Grundgesetz geschützten Grundrechte verletzt sein müssen und das diese Verletzung entweder in Deutschland oder von Deutschland erfolgen muß, weil sonst der territoriale Bezug fehlt. Deutschland und damit das Bundesverfassungsgericht können sich nicht die Befugnis anmaßen, Maßnahmen dritter Staaten in deren Hoheitsbereich an den deutschen Grundrechten als Unrecht zu verwerfen. Aber die Souveränität, die Staatsgewalt und damit Hoheit in Deutschland hat allein Deutschland. In Deutschland aber sollen die Grundrechte und die grundrechtsgleichen Rechte jedermanns den Schutz des Bundesverfassungsgerichts vor der öffentlichen Gewalt haben. Im Lissabon-Verfahren ging es um das deutsche Zustimmungsgesetz zum Lissabon-Vertrag, fraglos ein Hoheitsakt deutscher öffentlicher Gewalt. Damit ist aber nicht klargestellt, welche Maßnahmen, die in Deutschland Wirkung entfalten, keine mit der Verfassungsbeschwerde rügbaren Hoheitsakte „deutscher öffentlicher Gewalt“ sind. Im Urteil vom 7. September 2011 sind aus dem Adjektiv „deutsche“ die Hoheitsakte der Europäischen Union ohne jede staatsrechtliche oder völkerrechtliche Begriffserläuterung ausgeklammert worden, zudem in Abweichung von den Erkenntnissen des Maastricht- und des Lissabon-Urteile. Das ist nicht begründbar, weil diese Maßnahmen Akte der „öffentlichen Gewalt“ im Sinne des Art. 93 Abs.1 Nr. 4a GG und im übrigen auch der im Rechtsstaat unverzichtbaren Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, welche denselben Passus „öffentliche Gewalt“ enthält, sind und in Deutschland wirken, nämlich die Geldstabilität in Deutschland betreffen.
cc) Das Bundesverfassungsgericht hat im Maastricht –Urteil, Absatz 70 (BVerfGE 89, 155 (175)), ausgeführt:
„Das Bundesverfassungsgericht gewährleistet durch seine Zuständigkeit (vgl. BVerfGE 37, 271 [280 ff.]; 73, 339 [376 f.]), daß ein wirksamer Schutz der Grundrechte für die Einwohner Deutschlands auch gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaften generell sichergestellt und dieser dem vom Grundgesetz als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im wesentlichen gleich zu achten ist, zumal den Wesensgehalt der Grundrechte generell verbürgt. Das Bundesverfassungsgericht sichert so diesen Wesensgehalt auch gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaft (vgl. BVerfGE 73, 339 [386]). Auch Akte einer besonderen, von der Staatsgewalt der Mitgliedstaaten geschiedenen öffentlichen Gewalt einer supranationalen Organisation betreffen die Grundrechtsberechtigten in Deutschland. Sie berühren damit die Gewährleistungen des Grundgesetzes und die Aufgaben des Bundesverfassungsgerichts, die den Grundrechtsschutz in Deutschland und insoweit nicht nur gegenüber deutschen Staatsorganen zum Gegenstand haben (Abweichung von BVerfGE 58, 1 [27]). Allerdings übt das Bundesverfassungsgericht seine Gerichtsbarkeit über die Anwendbarkeit von abgeleitetem Gemeinschaftsrecht in Deutschland in einem „Kooperationsverhältnis“ zum Europäischen Gerichtshof aus, in dem der Europäische Gerichtshof den Grundrechtsschutz in jedem Einzelfall für das gesamte Gebiet der Europäischen Gemeinschaften garantiert, das Bundesverfassungsgericht sich deshalb auf eine generelle Gewährleistung der unabdingbaren Grundrechtsstandards (vgl. BVerfGE 73, 339 [387]) beschränken kann“.
Von `deutscher öffentlicher Gewalt` ist dort keine Rede, sondern von „Grundrechtsberechtigten in Deutschland“ und von „Grundrechtschutz in Deutschland“ sowie von „der Staatsgewalt der Mitgliedstaaten geschiedenen öffentlichen Gewalt einer supranationalen Organisation“. Letzteres ist auch der Fall, wenn die öffentliche Gewalt gemeinschaftlich, unional ausgeübt wird, einschließlich der öffentlichen Gewalt Deutschlands.
dd) Richtigerweise sind Maßnahmen der Europäischen Union zugleich deutsche Maßnahmen. Deutschland ist nämlich in die Europäische Union integriert. Deutschland ist mit den anderen Mitgliedstaaten die Europäische Union. Unionsakte sind sowohl deutsche wie französische, italienische, spanische, griechische usw. Akte. Es sind Gemeinschafts- oder eben Unionsakte. Das folgt daraus, daß Hoheitsakte ausschließlich Akte eines Volkes sind, das entweder unmittelbar oder mittelbar handelt, mittelbar durch die Vertreter des Volkes in den Organen des Staates, jedenfalls nach dem Grundgesetz und damit für Deutschland; denn „alle Staatsgewalt“ wird nach Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG „vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt“. Eine andere, von Dritten ausgeübte Staatsgewalt darf es in Deutschland nicht geben und gibt es richtigerweise auch nicht. Art. 20 Abs. 2 GG kann auch nicht durch das Integrationsprinzip des Art. 23 GG relativiert werden, wie Art. 79 Abs. 3 GG erweist. Die Europäische Union hat keine eigenständige Hoheitsgewalt, keine originäre Staatsgewalt; denn sie organisiert kein Volk, etwa ein Volk der Unionsbürger, als Staat, sie hat, anders formuliert, keine eigenständige demokratische Legitimation. Vielmehr übt sie als Organisation der Mitgliedstaaten deren Hoheitsgewalt gemeinschaftlich, unional aus. Zu diesem Zweck werden ihr begrenzt Hoheitsrechte der Mitgliedstaaten übertragen. Damit geben die Mitgliedstaaten ihre Hoheit nicht auf, sondern ordnen im gemeinschaftlichen Interesse mit den anderen Unionsmitgliedern ihre Staatsorganisation. Andernfalls würden die Mitgliedstaaten die Souveränität ihrer Völker, genauer ihrer Bürger, übertragen; denn die Souveränität ist die Staatsgewalt, wie das auch das Bundesverfassungsgericht erkannt hat (Lissabon-Urteil, BVerfGE 123, 267, Absätze 208, 298). Es spricht auch von „souveräner Staatsgewalt“ (BVerfGE 123, 267, Absatz 299). Die Völker können die Souveränität der Bürger nicht übertragen, weil diese nichts anderes ist als die Freiheit der Bürger. Souverän ist, wer frei ist. Die Freiheit, die ausweislich Art. 1 AEMR mit dem Menschen geboren ist, ist die Würde des Menschen, die Menschheit des Menschen, die schlechterdings nicht übertragen, also abgegeben oder aufgegeben werden kann. Das Bundesverfassungsgericht hat richtig die Souveränität mit dem Selbstbestimmungsrecht des Volkes identifiziert (Lissabon-Urteil, BVerfGE 123, 267, Abs. 224), das Grundlage des Völkerrechts ist (Art. 1 Nr. 2 UN-Charta). Selbstbestimmung des Volkes ist die Willensautonomie der Bürger, deren Freiheit, die demokratisch verwirklicht wird und nur demokratisch verwirklicht werden kann. Jede Verletzung des demokratischen Prinzips ist eine Verletzung der Freiheit der Bürger und der Souveränität des Volkes. Ich habe diese Rechtslehre in „Die Souveränität Deutschlands“, 2012, näher dargelegt.
Die Unionsverträge ordnen somit die gemeinschaftliche Ausübung der Staatsgewalt oder eben Hoheitsgewalt und dürfen und können rechtens nichts anderes ordnen. Die Organe der Europäischen Union sind in die Organisation der Mitgliedstaaten integriert und damit auch Organe jedes Mitgliedstaates oder eben dessen Volkes, die dessen Staatsgewalt ausüben. Anders kann die Integration freiheitlicher demokratischer Staaten, von Republiken, nicht dogmatisiert werden. Die Dogmatik ist aber folgenreich, wie sich im Grundrechtsschutz beschränkenden Begriff der „deutschen öffentlichen Gewalt“ im Urteil des Senats vom 7. September 2011 zeigt.
ee) Dieser Dogmatik widerspricht die Erkenntnis nicht, daß die Europäische Union längst funktional und institutionell ein Staat, ein Bundesstaat, ist. Das ergibt sich aus ihrer Organisation und ihren Aufgaben und Befugnissen und hängt nicht von ihrer Souveränität oder originären Hoheitsgewalt, die nur ein Volk hat, ab. Ihr mangelt die demokratische Legitimation. Sie ist demzufolge ein Staat ohne Legitimation, der rechtlos ist. Rechtens ist die Union nur insoweit, als sie im Rahmen der demokratisch vertretbaren Befugnisse bleibt, als im Rahmen der begrenzten Einzelermächtigungen. Darüber gehen ihre Aufgaben und Befugnisse längst hinaus, allemal aber Maßnahmen, die keine Grundlage in den Verträgen haben.
ff) Demgemäß sind die Maßnahmen oder Hoheitsakte auch der EZB und des ESZB Maßnahmen/Hoheitsakte der deutschen öffentlichen Gewalt und können auf Grund des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a, § 90 Abs. 1 BVerfGG mit der Verfassungsbeschwerde wegen Grundrechtsverstoßes gerügt werden.
gg) Hinzu kommt, daß die Verletzung des grundrechtsgleichen Wahlrechts aus Art. 38 Abs. 1 GG wie auch des Rechts der Bürger auf Verfassungsidentität oder, was darin eingeschlossen ist, auf Souveränität oder politische Freiheit, das als Recht auf Recht in der Verfassungsbeschwerde bereits geltend gemacht ist, gegenüber demokratiewidrigen Maßnahmen der Europäischen Union schutzlos wäre, weil die Union keine Grundrechtsverfassungsbeschwerde kennt und zudem das Recht auf nationale Demokratie, das der Würde und Freiheit der Bürger erwächst, kein Grundrecht der Grundrechtscharta der Europäischen Union ist.
hh) Auch die Kooperation, die nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts sein Verhältnis zum Europäischen Gerichtshof bestimmt, nimmt den Unionsmaßnahmen nicht die Eigenschaft, Hoheitsakte der deutschen öffentlichen Gewalt zu sein. Auch der Europäische Gerichtshof übt Staatsgewalt Deutschlands aus, wiederum gemeinsam mit der Staatsgewalt der andren Mitgliedstaaten. Das Nebeneinander der Gerichte bedarf der Zuständigkeitsverteilung. Der Grundrechtsschutz ist jedenfalls insoweit Sache des Bundesverfassungsgerichts, als der Europäische Gerichtshof zum Grundrechtsschutz nicht berufen ist, wie für den Schutz des nationalen Wahlrechts als Emanation des demokratischen Prinzips der Republik und den Schutz der Souveränität der Bürger vor Befugnisüberschreitungen durch die Unionsorgane, also vor ultra vires- Maßnahmen, ausbrechenden Rechtsakten. Selbst wenn der Europäische Gerichtshof Grundrechtsschutz nach der Grundrechtecharta gibt, die er zu verantworten hat, bleibt das Recht auf Grundrechtsschutz durch das Bundesverfassungsgericht unberührt, soweit die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs die deutschen Grundrechte nicht „im wesentlich gleich“ verwirklicht wie das Bundesverfassungsgericht, wie sich aus Art. 23 Abs. 1 S. 1 GG ergibt. Das kommt aber für den Schutz der in diesem Verfahren geltend gemachten Grundrechte nicht in Betracht. Keinesfalls darf der Grundrechtsschutz im Verfassungsstaat substantiell verkürzt werden. Das widerspräche dem Rechtsprinzip, das Art. 20 GG mit dem Rechtsstaats-, aber auch dem demokratischen Prinzip als Fundamentalprinzip Deutschlands der Disposition der Politik, auch der Integrationspolitik, wie Art. 23 Abs. 1 GG erweist, entzieht. Es widerspräche darüber hinaus der unantastbaren Menschenwürde, die vor allem als Freiheitsprinzip materialisiert ist. Die Freiheit findet ihre Wirklichkeit im Recht, zu dem der effiziente Rechtsschutz essentiell gehört.
Zudem hat das Bundesverfassungsgericht den demokratierechtlichen Schutz der Bürger aus Art. 38 Abs.1 GG gegen evident ausbrechende Rechtsakte oder Maßnahmen ultra vires der Europäischen Union nicht von Rechtsklärungsbefugnissen des Europäischen Gerichtshofs abhängig gemacht (Maastricht-Urteil BVerfGE 89, 155 (188); Lissabon-Urteil, Absätze 240 f.; BVerfGE 123, 267 (335 ff.); Mangold/Honeywell BVerfGE 126, 286 (302 ff.)). Das entspricht dem Prinzip der begrenzten Ermächtigung, weil außerhalb der ihr übertragenen Befugnisse die Union die Staatsgewalt der Mitgliedstaaten nicht auszuüben vermag, gewissermaßen keine Existenz hat, sodaß ihre Rechtsakte in Deutschland nicht anwendbar sind.
ii) Auch die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs, über Klagen von Mitgliedstaaten oder von Unionsorganen gegen vertragswidrige Maßnahmen der EZB zu entscheiden, vermag das Recht auf Grundrechtsschutz aus den deutschen Grundrechten nicht zu schmälern, schon gar nicht den des Wahlrechts der Bürger und den ihres Rechts auf Verfassungsidentität oder Souveränität. Zum einen können die Bürger die Vertragsverletzungen der EZB nicht vor dem Europäischen Gerichtshof geltend machen. Art. 263 Abs. 4 AEUV gibt dafür keine Klagebefugnis. Selbst das Recht der Bürger aus Art. 38 Abs. 1 GG darauf, daß Bundesregierung in Vertretung Deutschlands den Europäischen Gerichtshof anruft, um die Vertragstreue der EZB durchzusetzen, vermag den Grundrechtsschutz durch das Bundesverfassungsgericht nicht zu ersetzen. Zum einen ist der Bürger nicht an dem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof beteiligt, zum anderen leistet der Europäische Gerichtshof nicht den Schutz des Art. 38 Abs. 1 GG im Sinne des deutschen Verständnisses des Wahlrechts und der Verfassungsidentität sowie der Souveränität Deutschlands. Das vermag nur das Bundesverfassungsgericht, das spezifisch vom Grundgesetz für diesen Rechtsschutz eingerichtet ist. Ein Unionsgericht hat eine Besetzung aus allen Mitgliedstaaten und eine unionshafte Dogmatik, in die unvermeidlich die Unionsinteressen einfließen. Der Europäische Gerichtshof betreibt seit Beginn seiner Tätigkeit eine betont integrationistische Judikatur, die erhebliche Bedenken an der Rechtlichkeit seiner Erkenntnisse auslöst. Zudem mangelt diesem Gerichtshof die demokratische Legitimation. Eigentlich erfüllt er die Anforderungen an ein Gericht nicht. Allenfalls in engen Grenzen kann sein Grundrechtsschutz wegen des Integrationsprinzips an die Stelle des nationalen Grundrechtschutzes treten, nicht aber beim politischen Bürger- und Souveränitätsschutz, weil das letzte Wort dabei ein nationales Gericht haben muß, wenn nicht die Freiheit und die Souveränität einem Organ ausgeliefert werden soll, in dem allenfalls ein Richter von 27 Richtern vom betroffenen Volk legitimiert ist und das noch durch die Regierung, die ein Einvernehmen mit den Regierungen der anderen Mitgliedstaaten über den deutschen Richter, der in das Unionsgericht einziehen soll, erzielen mußte. Regierungen sind denkbar ungeeignet, die Richter zu bestimmen, welche die Bürger vor dem Unrecht, für das spezifisch die Regierungen die Verantwortung tragen, zu schützen sittlich befähigt sind. Völkerrechtliche Legitimität kann dem Europäischen Gerichtshof allenfalls als Streitschlichtungsorgan zugesprochen werden, nicht als Grundrechtsgericht.
jj) Auch am Mangold/Honeywell-Beschluß, der sich freilich allzu viel Zurückhaltung auferlegt und die Befugniskontrolle auf offensichtliche und kompetenziell gewichtige Überschreitungen des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung beschränkt (BVerfGE 89, 155 (188); 123, 267, LS 4 und Abs. 240 f.; 126, 286, Abs. 55 ff. (302 ff.)), scheitert jedenfalls nicht die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde gegen Maßnahmen des ESZB und der EZB. Die nähere Gestaltung der Kooperation des Bundesverfassungsgerichts mit dem Europäischen Gerichtshof berührt den Rechtscharakter dieser Maßnahmen als „öffentliche Gewalt“ nicht und auch nicht den als Hoheitsakte der „deutschen öffentlichen Gewalt“.
b) Die Staatsfinanzierungsmaßnahmen des ESZB und der EZB sind „ausbrechende Rechtsakte“, die „ultra vires“ erfolgen; denn sie verletzen offen das Bail-out-Verbot des Art. 125 AEUV bzw. die Befugnisgrenzen des ESZB und der EZB aus Art. 123 AEUV. Aber die Auflagen für die Staaten, die auf diese Weise finanziert werden, verletzen auch den Mechanismus des Art. 126 AEUV zur Haushaltsdisziplinierung der Euroländer und im übrigen völkerrechtswidrig deren Demokratie. Gegen solche Akte hatte das Gericht 1993 im Maastricht-Urteil BVerfGE 89, 155 (188)) und erst recht 2009 im Lissabon-Urteil Grundrechtsschutz durch Verfassungsbeschwerde (Leitsatz 4, Absätze 240 f.) zugesagt und auch die Prüfungskompetenz in Anspruch genommen. Der Senat hat angemerkt, daß die „Anwendbarkeit (sc.: der Hoheitsakte) in Deutschland“ anderweitig überprüft werden könne. Damit kann nur der Europäische Gerichtshof gemeint sein, der aber, wie dargelegt, den Grundrechtsschutz der Bürger in der politischer Freiheit als ihre Souveränität und den Schutz des demokratischen Kernrechts, ein Parlament wählen zu dürfen, das die Bürger substantiell zu vertreten befugt ist und bleibt, nicht zu leisten die Aufgabe und nicht die Befugnis hat und haben kann.
Leitsatz 4 des Lissabon-Urteils:
„Das Bundesverfassungsgericht prüft, ob Rechtsakte der europäischen Organe und Einrichtungen sich unter Wahrung des gemeinschafts- und unionsrechtlichen Subsidiaritätsprinzips (Art. 5 Abs. 2 EGV; Art. 5 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 des Vertrags über die Europäische Union in der Fassung des Vertrags von Lissabon ) in den Grenzen der ihnen im Wege der begrenzten Einzelermächtigung eingeräumten Hoheitsrechte halten (vgl. BVerfGE 58, 1 ; 75, 223 ; 89, 155 : dort zum ausbrechenden Rechtsakt). Darüber hinaus prüft das Bundesverfassungsgericht, ob der unantastbare Kerngehalt der Verfassungsidentität des Grundgesetzes nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG gewahrt ist (vgl. BVerfGE 113, 273 ). Die Ausübung dieser verfassungsrechtlich radizierten Prüfungskompetenz folgt dem Grundsatz der Europarechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes, und sie widerspricht deshalb auch nicht dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit (Art. 4 Abs. 3 EUV-Lissabon); anders können die von Art. 4 Abs. 2 Satz 1 EUV-Lissabon anerkannten grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen souveräner Mitgliedstaaten bei fortschreitender Integration nicht gewahrt werden. Insoweit gehen die verfassungs- und die unionsrechtliche Gewährleistung der nationalen Verfassungsidentität im europäischen Rechtsraum Hand in Hand“.
In dem Urteil zur Griechenlandhilfe und zum vorläufigen Rettungsschirm vom 7. September 2011 (2 BvR 987, 1485, 1099/10) hat der Erkennende Senat, eher einschränkend, in den Absätzen 99 ff. ausgeführt:
„ (2) Aus diesem materiellen Schutzgehalt des Art. 38 GG folgt regelmäßig kein Recht der Bürger, demokratische Mehrheitsentscheidungen auf ihre Rechtmäßigkeit hin durch das Bundesverfassungsgericht kontrollieren zu lassen. Das Wahlrecht dient nicht der inhaltlichen Kontrolle demokratischer Prozesse, sondern ist auf deren Ermöglichung gerichtet. Als Grundrecht auf Mitwirkung an der demokratischen Selbstherrschaft des Volkes verleiht Art. 38 Abs. 1 GG daher grundsätzlich keine Beschwerdebefugnis gegen Parlamentsbeschlüsse, insbesondere Gesetzesbeschlüsse.
(a) Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hat das Bundesverfassungsgericht seit dem Urteil zum Maastrichter Unionsvertrag anerkannt, wenn aufgrund völkervertraglich vereinbarter Verlagerungen von Aufgaben und Befugnissen des Bundestages eine Entleerung der von der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung gewährleisteten politischen Gestaltungsmöglichkeiten des Parlaments zu befürchten ist (vgl. BVerfGE 89, 155 ). Das durch das Wahlrecht geschützte Prinzip der repräsentativen Volksherrschaft kann danach verletzt sein, wenn die Rechte des Bundestages wesentlich geschmälert werden und damit ein Substanzverlust demokratischer Gestaltungsmacht für dasjenige Verfassungsorgan eintritt, das unmittelbar nach den Grundsätzen freier und gleicher Wahl zustande gekommen ist (vgl. BVerfGE 123, 267 ). Eine solche Rügemöglichkeit beschränkt sich auf Strukturveränderungen im staatsorganisationsrechtlichen Gefüge, wie sie etwa bei der Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union eintreten können.
Diese über die Grundrechtsrüge eines jeden Bürgers eröffnete Kontrolle der öffentlichen Gewalt hat bereits anlässlich des Maastricht-Urteils Kritik erfahren (es folgen Hinweise, KASch) Der Senat hält indes an seiner Auffassung fest. Der letztlich in der Würde des Menschen wurzelnde Anspruch des Bürgers auf Demokratie (vgl. BVerfGE 123, 267 ) wäre hinfällig, wenn das Parlament Kernbestandteile politischer Selbstbestimmung aufgäbe und damit dem Bürger dauerhaft seine demokratischen Einflussmöglichkeiten entzöge. Das Grundgesetz hat den Zusammenhang zwischen Wahlrecht und Staatsgewalt in Art. 79 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG für unantastbar erklärt (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 123, 267 ). Der verfassungsändernde Gesetzgeber hat bei der Neufassung des Art. 23 GG deutlich gemacht, dass der Auftrag zur Entwicklung der Europäischen Union an die dauerhafte Einhaltung bestimmter verfassungsrechtlicher Strukturvorgaben gebunden ist (Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG) und dass hier durch Art. 79 Abs. 3 GG eine absolute Grenze zum Schutz der Identität der Verfassung gesetzt ist (Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG), die jedenfalls insoweit nicht etwa erst in Fällen einer drohenden totalitären Machtergreifung überschritten ist. Gegen eine mit Art. 79 Abs. 3 GG unvereinbare Entäußerung von Kompetenzen durch das Parlament muss sich der Bürger verfassungsgerichtlich zur Wehr setzen können. Ein weitergehendes Rügerecht sieht das Grundgesetz nicht vor.
Die abwehrrechtliche Dimension des Art. 38 Abs. 1 GG kommt daher in Konstellationen zum Tragen, in denen offensichtlich die Gefahr besteht, dass die Kompetenzen des gegenwärtigen oder künftigen Bundestages auf eine Art und Weise ausgehöhlt werden, die eine parlamentarische Repräsentation des Volkswillens, gerichtet auf die Verwirklichung des politischen Willens der Bürger, rechtlich oder praktisch unmöglich macht. Die Antragsbefugnis ist folglich nur dann gegeben, wenn substantiiert dargelegt wird, dass das Wahlrecht entleert sein könnte“.
c, aa) Die Staatsfinanzierung finanzschwacher Mitgliedstaaten des Euro-Verbundes beeinträchtigt und verletzt die Beschwerdeführer, wie schon in der Verfassungsbeschwerdeschrift vom 29. Juni 2012 vorgetragen, in ihrem Recht auf Demokratie, in ihrer politischen Freiheit und Souveränität, aber auch in ihrem Grundrecht auf Eigentumsgewährleistung tiefgehend. Ihnen ist die Teilhabe an der politischen Willensbildung Deutschlands, welche durch den Deutschen Bundestag und Bundesrat, das Parlament, in Vertretung des ganzen Volkes wahrgenommen wird, bei den Staatsfinanzierungsmaßnahmen des ESZB und der EZB genommen. Die Staatsfinanzierung fremder Staaten durch Organe der Europäischen Union, zumal die monetäre Staatsfinanzierung ist „Strukturveränderung im staatsorganisationsrechtlichen Gefüge“ wie kaum eine andere, tiefgreifend und weitreichend. Sie nimmt den Bürgern weitgehend die Hoheit über die Finanzen ihres Staates aus der Hand, gefährdet die wirtschaftlichen Stabilität des Landes und zugleich die politische Stabilität. Staatsfinanzierung ist verfassungsrangig den Zentralbanken verboten, wie der Erkennende Senat im Urteil vom 12. September 2012, in den unten zu II, 1 a zitierten Absätzen 219 f. klargestellt hat, zumal die Finanzierung fremder Staaten. Allenfalls durch Gesetz oder Zustimmungsgesetz zu völkerrechtlichen Verträgen könnte eine Finanzierungshilfe für andere Staaten beschlossen werden, wie es der Senat ausweislich der Urteile vom 7. September 2011 und vom 12. September 2012 zu den Eurorettungsmaßnahmen entgegen der der Auffassung der Beschwerdeführer für rechtens hält. Wenn das Zentralbankensystem sich diese Aufgabe und Befugnis, unter dem Etikett Geldpolitik, gedrängt von den politischen bestimmenden Kräften, willfährig anmaßt, ist das eine schwerwiegende Strukturveränderung der Staatsorganisation, zumal das ESZB und die EZB, wie erörtert, auch deutsche Staatsgewalt ausüben.
bb) Diese Staatsfinanzierung belastet auch die deutschen Staatshaushalte, zumal den Bundeshaushalt, zumindest mittelbar. Sie belastet im übrigen auch die Privathaushalte. Die Kredite, welche das ESZB und die EZB den betroffenen Mitgliedstaaten des Euro-Verbundes, vermittelt durch Geschäftsbanken am offenen Markt ausreichen und zu deren Sicherung sie lediglich Staatsanleihen der betroffenen Staaten hereinnehmen, wenn sie die Staatsanleihen nicht am Sekundärmarkt sogar erwerben, werden nach aller Erwartung nicht zurückgezahlt werden. Die EZB, welche die nationalen Zentralbanken refinanziert, wird somit außerordentliche hohe Verluste erleiden.
Für diese Verluste haften zwar der Bundeshaushalt und die Länderhaushalte nicht unmittelbar, aber doch mittelbar, erstens durch Ausfall des Gewinns der EZB mit dem Gewinnanteil der Bundesbank und damit Deutschlands und zweitens durch die hochgradige Inflationsgefahr, welche durch die Geldmengenerweiterung ausgelöst wird. Auch eine Inflationspolitik, welche durch Maßnahmen des Staates herbeigeführt wird, ist, abgesehen von ihrer materiellen Verfassungswidrigkeit, eine Politik, die demokratisch legitimiert werden muß, also der Zustimmung des Parlaments bedarf. Staatsfinanzierung durch die Zentralbank ist eine solche Inflationspolitik an und für sich. Sie ist darum grundsätzlich untersagt und für die Finanzierung der Mitgliedstaaten des Euro-Verbundes durch Art. 123 AEUV uneingeschränkt untersagt. Staatliche Inflationspolitik beeinträchtigt mehr als jede andere Politik die wirtschaftliche Stabilität und damit tiefgreifend die Lebensverhältnisse der Bevölkerung. Deutschland hat damit bitterste Erfahrungen. Die Relativierung oder gar Ignorierung des verfassungsrangigen Stabilitätsprinzips ist einschneidende Wirtschaftspolitik, die dem Parlamentsvorbehalt unterliegt. Der Verfassungsrang des Stabilitätsprinzips ergibt sich aus dem Sozial(staats)prinzip und der Eigentumsgewährleistung .
cc) Den Zentralbanken ist die monetäre Staatsfinanzierung untersagt, weil die Staatsfinanzierung Haushaltspolitik ist. Diese aber ist politisch vom Parlament und damit von den Bürgern zu verantworten (vgl. BVerfG Urteil vom 7. September 2011, Absätze 121 ff.). Sie bedarf wie kaum eine andere Politik der demokratischen Legitimation. Diese haben das ESZB und die EZB aber nicht, schon gar nicht für Staatsfinanzierung durch die ummittelbare oder mittelbare Kreditierung von Staatshaushalten, welche durch Staatsanleihen gesichert wird, oder durch den Erwerb der Staatsanleihen am Sekundärmarkt. Den Beschwerdeführern wird somit der politische Einfluß auf eine wesentliche Politik Deutschlands genommen, wenn ESZB und EZB die Staatsfinanzierung übernehmen, zudem inflationsbegründend.
dd) Hinzu kommt, daß die EZB beschlossen hat, die durch Staatsanleihen gesicherten Kredite und den Kauf von Staatsanleihen nur den Euro-Staaten zugute kommen zu lassen, welche sich den Konditionen der „Rettung“ unterwerfen. Deren Staatskreditierung bedarf der Zustimmung des Deutschen Bundestages, wie das Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 7. September 2011, Absätze 121 ff., 133 ff. (BVerfGE 129, 124 (179 ff.)) entwickelt und im Urteil vom 12. September 2012 in diesem Verfahren in Absätzen 211 f. der Sache nach wiederholt hat. Die Mittel der Rettungsschirme sind begrenzt. ESZB und EZB sollen nach dem Beschluß der EZB deren Finanzierungsschwächen ausgleichen. Als lender of last resort verfügen sie über unbegrenzte Mittel, weil sie diese auf Grund ihrer Befugnis zur Ausgabe von Euro-Banknoten (Art. 128 Abs. 1 AEUV) unbegrenzt schöpfen können, nämlich aus dem Nichts. Die Maßnahmen des ESZB und der EZB sind nichts anderes als Umgehung des Parlamentsvorbehalts der Staatsfinanzierung und der damit verbundenen Auflagenpolitik. Sie sind aus demokratischen Gründen den Notenbanken verboten, also demokratiewidrig und beeinträchtigen und verletzen die Bürger wie die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Demokratie in Deutschland.
ee) Außerdem ist die Belastung anderer Völker mit Auflagen, welche diese in Not bringen (Rezession und Deflation), eine Politik, die, abgesehen davon, daß sie, wie schon vorgetragen, völkerrechtswidrig ist, jedenfalls, wenn und soweit sie mit dem Völkerrecht verträglich wäre, der Zustimmung des Parlaments bedarf. Diese Politik beeinträchtigt zutiefst das gute Miteinander der Völker, wie die auch gegen Deutschland gerichteten Unruhen in Griechenland, Spanien, Italien und auch Portugal zeigen. Sie ist Interventionspolitik, die dem Selbstbestimmungsrecht der Völker, einem Grundprinzip der Vereinten Nationen (Art. 1 Nr. 2 UN-Charta) und zwingendes Völkerrecht, widerspricht. Die gegenseitige Achtung der Demokratie als der Freiheit der Bürger und der Souveränität der Völker ist durch Art. 25 GG als allgemeine Regel des Völkerrechts hochrangiges Rechtsprinzip, jedenfalls in Deutschland. Dieses Prinzip gehört zum freiheitlichen und demokratischen gemeinsamen Leben der Völker. Es verletzt das Recht auf Demokratie der Bürger Deutschlands und der Beschwerdeführer, das völkerrechtlich vermittelt grenzüberschreitend ist, wenn andere, zumal in der Europäischen Union vereinte Völker in ihrer Demokratie verletzt werden. Die welt-, jedenfalls europaweite Demokratie gehört zur Bürgerlichkeit des Bürgers, zu dessen Freiheit und Souveränität in der einen Welt, in der alle Menschen zusammenleben. Das ist kein Plädoyer für einen Weltstaat, im Gegenteil eines für die Selbstbestimmung der Völker, für die Freiheit und Souveränität aller Menschen, für die sich jeder Mensch als Bürger verantwortlich fühlen soll, aber auch verantwortlich sein können soll. Das verbietet die tiefgreifende Ingerenzpolitik der Eurorettungsmaßnahmen, gebietet jedenfalls deren demokratische, also parlamentarische Legitimation und verbietet somit eine solche Politik der Notenbanken, auch aus dem Recht der Bürger Deutschlands auf Demokratie.
ff) Weiterhin ist die Staatsfinanzierung, auch die durch ESZB und EZB, eine Politik des Finanzausgleichs unter dien Mitgliedstaaten der Euro-Verbundes, obwohl gerade dieser durch Art. 125 und Art. 123 AEUV verboten ist. Die Voraussetzung der einheitlichen Währung soll durch die Haushaltsdisziplin erhalten oder geschaffen werden, die Art. 126 AEUV näher regelt. In Bundesstaaten gibt es einen Finanzausgleich unter den Ländern, wie in Deutschland. Die verschiedenen Mechanismen der Staatsfinanzierung, der EFSF, der ESM und die Kreditierung der Mitgliedstaaten des Euro-Verbundes, die der Finanzhilfe bedürfen und die sich den disziplinierenden Auflagen unterwerfen, durch das ESZB und die EZB sind Surrogate eines vertraglich geordneten Finanzausgleichs, freilich vertrags- und verfassungswidrig. Sie sind Elemente eines Bundesstaates, der die Europäische Union funktional und institutionell ist. Das aber beeinträchtigt und verletzt die Souveränität Deutschlands und die Freiheit der Bürger, auch die der Beschwerdeführer. Die Politik der europäischen Bundesstaatlichkeit, die mit aller Macht unter dem Schlagwort „mehr Europa“ fortgesetzt wird, bedarf, wie das Bundesverfassungsgericht im Lissabon-Urteil zu Absätzen 179, 228, 263 klargestellt hat, eines neuen Verfassungsgesetzes Deutschlands nach Art. 146 GG. Solange dieser Schritt nicht gegangen ist, ist die Politik des Finanzausgleichs verfassungswidrig und eine Verletzung des Rechts auf Demokratie wie der Freiheit und Souveränität der Bürger Deutschlands und somit auch der Beschwerdeführer. In der Verfassungsbeschwerdeschrift vom 29. Juni 2012 bin ich auf diesen Verfassungsverstoß mehrfach eingegangen.
gg) Im übrigen ist offensichtlich, daß die Staatsfinanzierungsmaßnahmen, begleitet von Banken- und damit auch Unternehmensfinanzierungsmaßnahmen, des ESZB und der EZB wesentlich den Zweck haben, die Finanzindustrie kurz- und mittelfristig vor Verlusten zu schützen und die Risiken auf die Bevölkerungen zu verlagern. Die Methode ist die Inflationspolitik. Die Übernahme dieses Risikos bedarf allemal der Zustimmung der Bürger mittels deren Vertretungen in den Parlamenten, soweit sie überhaupt mit der Verfassung vereinbar ist. Letzteres ist nicht die Auffassung der Beschwerdeführer.
d) Die Beschwerdeführer sind durch die Staatsfinanzierungsmaßnahmen des ESZB und der EZB unmittelbar, selbst und gegenwärtig in ihren Grundrechten beeinträchtigt und verletzt. Sie haben keine andere Möglichkeit des Rechtsschutzes gegen dieses Unrecht. Die monetäre Staatsfinanzierung durch das ESZB und die EZB überschreitet deren Befugnisse. Die ausbrechenden Hoheitsakte mißachten das persönliche Recht der Beschwerdeführer auf Demokratie unmittelbar und gegenwärtig und damit auch deren Souveränität als ihre Freiheit. Der Grundrechtsschutz kann nicht hinausgeschoben werden, bis die Staatsfinanzierungszusage des ESZB und der EZB in die Praxis umgesetzt wird. Sie hat zum einen schon jetzt ihre Wirkung auf die Finanzmärkte und zum anderen ist die Zusage derart valide und politisch verbindlich, daß sie als Hoheitsakt angegriffen werden kann, um effektiven Grundrechtsschutz, aber auch um baldige Rechtssicherheit für die begünstigten Staaten und die Finanzmärkte zu schaffen. Das gebietet das rechtstaatliche Prinzip sachgerechter Verfahren. Hinzu kommt die die Staatsfinanzierung eine Inflationslage schafft, welche die Vermögen der Beschwerdeführer gefährdet und damit deren Recht auf Eigentumsgewährleistung beeinträchtigt und verletzt.
e) Die Fristenregelung des § 93 BVerfGG ist eingehalten. Die Regelungen passen zwar nicht direkt für die Maßnamen der mittelbaren Staatsfinanzierung durch Kauf von Staatsanleihen am Sekundärmarkt und durch Kredite und deren Sicherung durch Staatsanleihen, aber, wenn Absatz 2 des § 93 BVerfGG herangezogen wird, also auf die Bekanntgabe der Hoheitsakte, nämlich die kontinuierliche Staatsfinanzierung durch das ESZB und die EZB, so ist die Einjahresfrist gewahrt, weil die Maßnahmen am 20. Dezember 2011 und am 29. Februar 2012 bekanntgegeben und eingeleitet worden sind, die Beschwerdeführer die Verfassungsbeschwerde aber bereits am 29. Juni 2012 erhoben haben.
2 a) Das TARGET 2–System ist in der Verfassungsbeschwerdeschrift zu VII 3 a, S. 117 f., in Anlehnung an die Untersuchungen der Professoren Dres. Hans-Werner Sinn und Timo Wollmershäuser dargestellt. Es beruht auf den auf Art. 127 Abs. 2 AEUV und Art. 22 Satzung ESZB, wonach zu den „grundlegenden Aufgaben des ESZB“ das „reibungslose Funktionieren der Zahlungssysteme zu fördern“ gehört, gestützten Leitlinien und Beschlüssen des Rates der EZB . Das TARGET 2–System hat zu TARGET-Salden geführt, welche Handelsbilanzdefizite der exportschwachen Mitgliedstaaten des Euro-Verbundes von über 1 Billionen Euro und Handelsbilanzüberschüsse von mehr als 750 Milliarden Euro Deutschlands ausweisen. Das führt zu sogenannten TARGET-Forderungen der Bundesbank gegenüber der EZB in dieser Höhe. Diese Salden spiegeln das Handelsbilanzgefälle zwischen den Mitgliedstaaten des Euro-Verbundes und die Kapitalflucht aus den gefährdeten Ländern wieder, das ausgeglichen sein könnte, wenn eine hinreichende Homogenität der Volkswirtschaften bestünde. Diesen Ausgleich bewirkt in einem System eigenständiger Währungen die Wechselkursschwankungen, d. h. Aufwertungen und Abwertungen. Im System der Einheitswährung unterschiedlicher Volkswirtschaften und Staaten ist das nicht möglich. Ohne das TARGET 2-System, das automatisiert den Zahlungsverkehr zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten und deren Zentralbanken bewerkstelligt, könnten derartige Handelsbilanzdefizite nicht aufgebaut werden, weil die defizitären Länder ihren Zahlungsverpflichtungen nur mit Krediten nachkommen könnten, aber ihre Kreditfähigkeit in dem Maße in Not geraten würde, in dem sie sich verschulden. Ihre Zinslast würde derart steigen, daß sie ihre Handelsdefizite, also den Import, einschränken müßten, prinzipiell bis er dem Export entspricht. Das TARGET 2- System ermöglicht aber die automatische Kreditierung der Importe der Länder, deren Export zu gering ist, um den Import handelsbilanziell auszugleichen, sprich bezahlen zu können. Diese Kreditierung erfolgt wegen der Technik des Systems ohne jede Sicherheit.
b) Die finanzpolitische Wirkungsweise analysiert Wilhelm Hankel weiterhin so: Mit dem TARGE 2-System wird nicht nur der nominale Abwertungsmechanismus eines Systems beweglicher (atmender) Wechselkurse außer Kraft gesetzt, sondern auch der realwirtschaftliche, valoristische Ausgleichsmechanismus. In einer Währungsunion fester Wechselkurse, die dem Goldstandard ähnlich sind, gleichen sich fundamentale innere Ungleichgewichte nur über die Inflation aus. Die Ansteckung an den höheren Kosten und Preisen der Defizitländer läßt die Überschüsse der stabilen Länder verschwinden. Sie verlieren die Export-Vorteile. Im echten Gold-Standard korrigierten Goldab- und Goldzuflüsse diesen Prozeß. Die Defizitländer waren gezwungen, die Geldmenge zu reduzieren und die Zinsen zu erhöhen, die Überschußländer die Geldmenge zu erhöhen und die Zinsen zu senken. Sie trafen sich auf einem mittleren Inflations-Niveau, in den Defizitländern tiefer, in den stabilen Ländern höher als bisher. In einer Währungsunion ohne Gold, aber mit dem TARGET 2-System fehlt dieser Ausgleichsmechanismus. Das Ungleichgewicht bleibt nicht nur erhalten, es wird durch die Target-Kredite (der Sache nach eine Kombination aus stand-by- und Budget-Krediten) sogar vergrößert, und zwar solange, bis die Kreditblase platzt, wenn die TARGET-Forderungen weder aufgestockt noch bedient noch getilgt werden können. Dann aber greift, verstärkt durch die Spar-Auflagen, die realwirtschaftliche Anpassung. Einkommen müssen gesenkt, Arbeitsplätze abgebaut werden. Nur: Das mit dieser sozialen Roßkur angestrebte Ergebnis ausgeglichener Staatshaushalte und der Abbau der Staats- und Privatschulden kann so nicht erreicht werden, weil die Staatseinnahmen sinken, ja geradezu verfallen. In das TARGET 2-System ist die Sozialkrise eingebaut, ein schwerer Verstoß gegen die nationale Souveränität, das demokratische Prinzip, das Sozial(staats)prinzip und das Rechtstaatsprinzip.
c) Nach allen Erwartungen werden die Defizitländer die Kredite niemals begleichen können. Die TARGET-Salden bleiben somit bestehen. Die Exporteure sind freilich bezahlt worden. Sie haben ihre Forderungen nicht kreditiert. Aber die Zahlung ist auf Grund des Systems von TARGET 2 mit Mitteln der EZB bezahlt worden. Diese hat das Geld auf Grund ihrer Befugnis, Euro- Banknoten auszugeben (Art. 128 Abs. 1 S. 2 AEUV), zur Verfügung gestellt und die Forderungen gegen die Importländer bilanziell dagegengestellt. Das ist Technik. Wirtschaftlich zahlt die EZB mit Geld, das sie aus dem Nichts schöpft und erhält dafür Forderungen, die nichts wert sind. Das ist nichts anderes als Staatsfinanzierung mit den Mitteln der EZB, Staatsfinanzierung, welche die Geldmenge entgegen den realwirtschaftlichen Gegebenheiten erheblich ausweitet und damit die Grundlage für eine Inflation legt.
d) Die Einrichtung des TARGET 2-Systems gehört zu dem Maßnahmenbündel der EZB, welches die Staatsfinanzierung der exportschwachen Mitgliedstaaten des Euro-Verbundes bewirkt. Diese Maßnahmen der in Fußnote 2 angeführten Leitlinien und Beschlüsse sind Hoheitsakte der öffentlichen Gewalt, schlicht- hoheitliche Maßnahmen. Es ist auch deutsche öffentliche Gewalt, welche die EZB ausübt, weil die Maßnahmen Wirkung für Deutschland, unmittelbar für die Bundesbank, deren TARGET–Forderungen steigen, aber mittelbar für Deutschland insgesamt, weil die deutschen Exporte mit Inflationsgeld bezahlt werden, mit Mitteln der EZB, die nicht durch werthaltige Forderungen gedeckt sind und die ihrer Aufgaben, die Preisstabilität zu gewährleisten, also den Geldwert zu sichern, widerspricht. Jedenfalls betreiben die EZB und das ESZB damit Staatsfinanzierung, die ihnen verboten sind.
e) Die Einführung des TARGET 2–Systems ist wegen der Wirkung der Staatsfinanzierung von den Befugnissen der EZB nicht gedeckt. Nachdem die Saldenentwicklung offenbar geworden ist, mußte es korrigiert werden. Es ist davon auszugehen, daß das TARGET 2-System, anders als das Vorgängersystem, daraufhin gestaltet worden ist, die automatische Staatsfinanzierung und Finanzierung der Volkswirtschaft, nämlich der Handelsbilanzdefizite und der grassierenden Kapitalflucht, zu ermöglichen. Es ist beim Beginn der Finanzkrise erneuert und während der Finanzkrise weiterentwickelt worden. Die Mitglieder des Rates der EZB kennen die Techniken und Wirkungen der Techniken des Zahlungssystems. Das TARGET 2–System ist ultra vires, ausbrechender Rechtsakt, der mit dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung, dem Eckstein demokratischer Legitimation der Hoheitsakte der Europäischen Union, unvereinbar ist.
f) Staatsfinanzierung zumal fremder Staaten ist weder mit der Verfassung und dem Verfassungsgesetz vereinbar noch mit dem Völkerrecht. Auch für die Kritik des TARGET 2–Systems ist richtig was zu 1 c) zur Demokratie-, Freiheits- und Souveränitätswidrigkeit der Staatsfinanzierung durch mittelbare Kreditierung von Staaten ausgeführt worden ist, die lediglich wenig werthaltige oder gar wertlose Staatsanleihen als Sicherheit geben.
g) Wie alle Bürger Deutschlands (und der anderen Mitgliedstaaten des Euro-Verbundes) sind auch die Beschwerdeführer unmittelbar, selbst und gegenwärtig durch das TARGET 2-System in ihrem Recht auf Demokratie, in ihrer politischen Freiheit und ihre Souveränität, aber auch in ihrem Eigentum beeinträchtigt und verletzt; denn sie haben keinerlei Einfluß auf die automatisierte Staatsfinanzierung des TARGET 2-Systems des ESZB und der EZB, der ihnen aber, vertreten durch ihr Parlament, als Bürgern zusteht. Eine andere Rechtschutzmöglichkeit haben die Beschwerdeführer nicht.
h) Die Fristen des § 93 BVerfGG können für die Verfassungsbeschwerde gegen das TARGET 2–System nicht gelten, weil das System erst in der Finanzkrise, die auch eine Handelsbilanzkrise ist, bekannt geworden ist. Im übrigen hält die EZB dieses System stetig aufrecht, obwohl es die Staatsfinanzierung bewirkt. Sie verletzt damit ihre Pflicht, das System derart zu korrigieren, daß es dem europäischen Vertragswerk und dem Grundgesetz genügt. Allemal insoweit ist die Verfassungsbeschwerde fristgerecht.
3a) Der Hilfsantrag zu 7a ist zulässig, wenn der Erkennende Senat den Antrag zu 7 nicht als zulässig erachtet. Wenn die Staatsfinanzierung durch das ESZB und die EZB nicht mit der Verfassungsbeschwerde einzelner Bürger gerügt werden kann, ist damit die Verletzung der Bürger und der Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Demokratie, in ihren Freiheit und Souveränität nicht aus der Welt geschaffen. Wegen der Rechtsschutzgarantie des Rechtsstaates, materialisiert in Art. 19 Abs. 4 GG, müssen die Bürger und Beschwerdeführer ihr Grundrecht aus Art. 38 Abs. 1GG und aus anderen Verfassungsartikeln in anderer Weise zur Geltung bringen können. Die Beeinträchtigung der genannten Grundrechte ist in der Verfassungsbeschwerdeschrift vom 29. Juni 2012 und oben zu 1 dargelegt.
Wie alle Grundrechte begründet das grundrechtsgleiche Recht auf Demokratie aus Art. 38 Abs. 1 GG auch eine Schutzpflicht des Staates zugunsten der Bürger und damit der Beschwerdeführer gegen Verletzungen des Rechts, hier durch das ESZB und die EZB. Letztere sind nicht einmal Dritte im eigentlichen Sinne der Schutzpflichtdogmatik, weil, wie oben zu 2. ausgeführt, die Unionsorgane in die Organisation der Staatsgewalt Deutschlands integriert sind. Dieser Schutzpflicht ist Deutschland nicht nachgekommen. Die Bundesregierung sieht sich nicht veranlaßt, gegen die Staatsfinanzierungsmaßnahmen des ESZB und der EZB vor dem Europäischen Gerichtshof zu klagen. Sie unterläßt den Schutz entgegen ihrer Pflicht, die Bürger in deren Rechten zu schützen, wie das in Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG steht, dem fundamentalen Würdeprinzip, aus dem auch das Recht des Bürgers auf demokratische Teilhabe folgt (BVerfGE 123, 267 (341); Urteil vom 7. September 2011, Absatz 101).
Außerdem folgt die Pflicht der Bundesregierung, das demokratische Prinzip, aber auch das soziale Prinzip und das Rechtsstaatsprinzip sowie das freiheitliche Souveränitätsprinzip als Prinzipien des Art. 20 und Art. 79 Abs. 3 GG und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu schützen, auch aus dem Widerstandsrecht des Art. 20 Abs. 4 GG, dem den Bürgern und den Beschwerdeführern ein grundrechtsgleiches Recht auf den Schutz der Verfassungsidentität als „dieser Ordnung“ als „andere Abhilfe“ erwächst.
Die „Rechtmäßigkeit“ auch der „Handlungen“ der EZB überwacht nach Art. 263 Abs. 1 AEUV der Europäische Gerichtshof. Klagen können zu diesem Zweck von den Mitgliedstaaten, dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission wegen „Unzuständigkeit, Verletzung wesentlicher Formvorschriften, Verletzung der Verträge oder einer bei seiner Durchführung anzuwendenden Rechtsnorm oder wegen Ermessensmißbrauchs“ erhoben werden. Die Handlungen der EZB sind somit nicht sakrosankt. Vielmehr unterliegen sie dem Recht. Auch auf Grund einer Untätigkeitsklage nach Art. 265 AEUV und im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens des Art. 267 AEUV können Unterlassungen oder Handlungen der EZB auf den Prüfstand des Europäischen Gerichtshofs kommen. Wenn ein Streitfall die Rechtmäßigkeit einer Handlung der EZB aufwirft, kann sogar ein nationales Gericht, auch das Bundesverfassungsgericht, diese prüfen und kann oder muß, je nach Instanz, diese Rechtsfrage, wenn sie noch nicht durch den Gerichtshof geklärt ist, zur Vorabentscheidung nach Art. 267 AEUV dem Gerichtshof der Europäischen Union vorlegen. Das kann auch in diesem Verfassungsbeschwerdeverfahren geboten sein, wenn der Senat die Befugnisüberschreitung nicht als offensichtlich und als eine gewichtige Kompetenzverschiebung erkennt. Das ist sie allerdings. Eine Klage der Beschwerdeführer nach Art. 263 Abs. 4 AEUV kommt nicht in Betracht, weil die Handlungen der EZB nicht „an sie gerichtet“ sind und sie auch nicht „unmittelbar und individuell betreffen“. Diese Kriterien praktiziert die Unionsjudikatur eng. An die Beschwerdeführer sind die Staatsfinanzierungsmaßnahmen in keiner Weise gerichtet. Es sind insbesondere keine Verfügungen. Die Maßnahmen betreffen die Beschwerdeführer auch nicht „unmittelbar und individuell“ (vgl. EuG, Beschluß vom 15. Juni 2011 – Rs. T-259/10 –Ax). Darüber hinaus haben sie Wirkung für die gesamte Bevölkerung der Euro-Staaten und darüber hinaus für alle Menschen in der Union und darüber hinaus wegen der Globalität des Finanzwesens und der Wirtschaft insgesamt für alle Welt.
Aus dieser Rechtsschutznot der Beschwerdeführer würde somit deren Recht gegen Deutschland, vertreten durch die Bundesregierung, erwachsen, die einzig verbleibende Rechtsklärungsmöglichkeit Deutschlands zu nutzen, die Klage gegen die EZB vor dem Europäischen Gerichtshof auf Grund des Art. 263 Abs. 1 und 2 AEUV, vorausgesetzt, der Senat weist den Antrag zu 7 als unzulässig ab, zu unrecht.
b) Die Rechtsklärungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof vermag die Beschwerdeführer zwar nicht in der gleichen Weise in ihren Rechten aus Art. 38 Abs. 1 GG und anderen Rechten, die das Bundesverfassungsgericht bisher auch nicht anzuerkennen sich durchgerungen hat, zu schützen, wie das Verfassungsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, weil sie nicht an dem Verfahren beteiligt sind und der Gegenstand des Verfahrens ein anderer ist, nämlich insgesamt die Vertragsverletzung, nicht aber die Grundrechtsverletzung. So kann eine vertragsgerechte Handlung der EZB durchaus das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung verletzen, weil der Vertrag die Befugnisse des Organs, der EZB, zu weit faßt oder weil die Interpretation des Vertrages durch die Organe der Union allzu extensiv ist, aber auch weil der Vertag oder dessen Interpretation die Souveränität Deutschlands und damit die Freiheit seiner Bürger und/oder die Verfassungsidentität mißachtet. Aber ein Minimum an Rechtsschutz wäre mittelbar erreicht. Das letzte Wort nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs hat ohnehin das Bundesverfassungsgericht, das den Kern der Demokratie, die Souveränität des Volkes und die Freiheit der Bürger und/oder die Verfassungsidentität zu schützen die Pflicht hat.
c) Die genannten Rechte der Beschwerdeführer sind beeinträchtigt und verletzt. Insoweit kann auf die Darlegungen zu 1 und in der Verfassungsbeschwerdeschrift verwiesen werden.
d) Die Beschwerdeführer sind aus den ebenfalls zu 1 erörterten Gründen auch unmittelbar, selbst und gegenwärtig in ihren Grundrechten betroffen.
e) Ein Fristfrage ergibt sich insoweit als die Klage Deutschlands nach Art. 263 Abs. 6 AEUV binnen zwei Monaten nach Bekanntgabe der betreffenden Handlung oder nach Kenntnisnahme des Klägers von dieser Handlung erhoben werden muß. Die Praxis des TARGET 2-Systems wird aber stetig fortgesetzt. Dadurch generiert es automatisch ständig neue vertragswidrige Handlungen. Folglich gibt es kein Fristproblem für Deutschland und damit auch nicht für das mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Recht der Beschwerdeführer.
II. Begründetheit der Anträge zu 7 und 7a
Die Begründetheit des Antrags zu 7 ist in unsrer Verfassungsbeschwerdeschrift vom 29. Juni 2012 zu VII, S. 115 ff., dargelegt. Zur Ergänzung trage ich das Folgende vor:
1 a) Die unmittelbare oder mittelbare Staatsfinanzierung durch das ESZB und die EZB ist vertrags- und verfassungswidrig. Das hat der Erkennende Senat im Urteil vom 12. September 2012, Absätze 219 f. und auch 276 ff. in aller Klarheit festgestellt. Er hat in Absätzen 219 f. ausgeführt:
„Das geltende Integrationsprogramm gestaltet die Währungsunion als Stabilitätsgemeinschaft aus. Dies ist, wie das Bundesverfassungsgericht wiederholt hervorgehoben hat (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 97, 350 ; 129, 124 ), wesentliche Grundlage für die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an der Währungsunion. Die Verträge laufen dabei nicht nur hinsichtlich der Währungsstabilität mit den Anforderungen des Art. 88 Satz 2 GG, gegebenenfalls auch des Art. 14 Abs. 1 GG, parallel, der die Beachtung der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank und das vorrangige Ziel der Preisstabilität zu dauerhaft geltenden Verfassungsanforderungen der deutschen Beteiligung an der Währungsunion macht (vgl. Art. 127 Abs. 1, 282 Abs. 2, Art. 130 AEUV); auch weitere zentrale Vorschriften zur Ausgestaltung der Währungsunion sichern die verfassungsrechtlichen Anforderungen unionsrechtlich ab. Das gilt insbesondere für das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung durch die Europäische Zentralbank, das Verbot der Haftungsübernahme (Bail-out-Klausel) und die Stabilitätskriterien für eine tragfähige Haushaltswirtschaft (Art. 123 bis Art. 126, Art. 136 AEUV; vgl. BVerfGE 129, 124 ).
Die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages wird in Ansehung der Übertragung der Währungshoheit auf das Europäische System der Zentralbanken namentlich durch die Unterwerfung der Europäischen Zentralbank unter die strengen Kriterien des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union und der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken hinsichtlich der Unabhängigkeit der Zentralbank und der Priorität der Geldwertstabilität gesichert (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 129, 124 ). Ein wesentliches Element zur unionsrechtlichen Absicherung der verfassungsrechtlichen Anforderungen aus Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG ist insoweit das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung durch die Europäische Zentralbank (vgl. BVerfGE 89, 155 ; 129, 124 )“.
Das Verbot der monetären Haushalts- oder Staatsfinanzierung, das auch in der Beschwerdeschrift vom 29. Juni 2012 (II 3 c, ee, S. 49 f., VII 1, S. 116 f. und 3 c und d, S. 120 f.) herausgestellt ist, bedarf somit keiner weiteren Begründung.
b) Entscheidungserheblich ist, daß die gerügten Maßnahmen des ESZB und der EZB entweder monetäre Haushalts- oder eben Staatsfinanzierung sind oder diese zusagen, wie der Beschluß der EZB vom 6. September 2012. Die EZB versucht, diese Maßnahmen als Geldpolitik, welche der Stabilität des Euro diene, hinzustellen und begründet damit ihre Aufgabe und Befugnis, diese Maßnahmen zu treffen, also dem Erwerb von Staatsanleihen am Sekundärmarkt oder die Entgegennahme von Staatsanleihen als Sicherheit für Kredite.
Das ist falsch.
In gewisser Weise kann jede Art der monetären oder auch nicht monetären Staats- oder Haushaltsfinanzierung als Geldpolitik ausgegeben werden. Geldpolitik, deren Zweck die Geldwertstabilität und damit Preisstabilität ist, hängt von der internen und externen wirtschaftlichen Lage des Wirtschaftsraumes ab, für die Geldpolitik betrieben wird, zumal von der Lage des Währungsraumes. Dementsprechend hat die empirische Forschung ermittelt, daß Voraussetzung einer einheitlichen Währung ein optimaler Währungsraum ist (Robert Mundell, A Theory of Optimum Currency Areas, in: The American Economic Review, Vol. 51, № 4, 1961, S. 657–665; Nobelpreis 1999).
Die Konvergenzkriterien des Art. 109 j EGV in der Fassung des Maastricht-Vertrages sollten mit der hinreichenden Konvergenz sicherstellen, daß der Euro-Raum wenn nicht optimal, so doch hinreichend für eine einheitliche Währung geeignet ist. Die Konvergenzkriterien sind aber von den beteiligten Staaten (außer Luxemburg) nicht vollständig erfüllt worden. Darum war das Projekt Währungsunion zum Scheitern verurteilt . Es ist gescheitert. Die Eurorettungspolitik versucht, ebenso zum Scheitern verurteilt, notdürftig die Voraussetzungen für die seit mehr als zehn Jahren eingeführte einheitliche Währung nachzureichen, jedenfalls die Staatshaushalte zu stabilisieren, die mangels Haushaltsdisziplin gemäß den Vertragspflichten der Währungsunion nicht zur Konvergenz geführt worden sind. Diese Versuche haben keine Erfolgschance, erstens weil die vertragliche Konvergenz nicht genügt, um den tragfähigen Währungsraum für den Euro zu schaffen, und zweitens weil die Mitgliedstaaten mit weniger entwickelter Industrie, zum Teil noch mit Volkswirtschaften, die sich nicht wesentlich von denen von Entwicklungsländern unterscheiden, keinerlei Chance im Wettbewerb mit hochentwickelten Industriestaaten, wie es u. a. Deutschland ist, haben. Die Verbindung des Binnenmarktes, in dem die Grundfreiheiten der Europäischen Union den Einzelstaaten keine Möglichkeit des Schutzes der eigenen Volkswirtschaft lassen, mit der einheitlichen Währung, welche den wettbewerblichen Schutz der Abwertung unmöglich macht, nimmt den schwächeren Volkswirtschaften jede Entwicklungsmöglichkeit. Eine gewisse Stärkung der eigenen Leistungsfähigkeit könnte erhebliche Kostensenkung durch Lohnzurückhaltung bewirken. Gerade dies aber ist nicht die Triebfeder der Teilnahme an der Währungsunion, sondern die Hoffnung auf Besserung der sozialen Verhältnisse. Diese Hoffnung konnten einige Jahre mittels Konsumkrediten genährt werden und hat auch beachtliche Einkommenszuwächse erbracht, freilich auf Kredit, der irgendwann zurückgezahlt werden muß. Dafür vermag die Realwirtschaft die Mittel nicht zu erarbeiten. Die Prolongierung der Kredite durch die sogenannten Rettungsschirme mit den Mitteln anderer Staaten rettet die Volkswirtschaften trotz einiger Austeritätsbemühungen nicht, genauso wenig wie die Kreditierung durch ESZB und EZB. Der Zeitgewinn kann nicht einmal genutzt werden, wettbewerbsfähige Volkswirtschaften aufzubauen, weil die monetäre Staatsfinanzierung zwar die Zinslasten erleichtert, aber den konstitutiven Mangel des Euro nicht behebt und nicht beheben kann, den Mangel an Wettbewerbsfähigkeit auf dem Markt, dem eigenen, der schließlich allen Wettbewerbern, gerade auch den überlegenen, offensteht, aber auch und erst recht dem europäischen und globalen Markt nicht. Überall sind diese weniger entwickelten Volkswirtschaften durch die nicht leistungsgerechte Währung im Nachteil. Die produktive Exportstärke der gut entwickelten Industrien wird noch dadurch verstärkt, daß sie ebenfalls eine nicht leistungsgerechte Währung nutzen können, eine für ihr Land unterbewertete Währung. Das ist der Sache nach Preisdumping, der sich in der ganzen Welt vorteilhaft auswirkt. Er ist naturgemäß mit einer Stagnation der Binnenkaufkraft zu Lasten der Bevölkerung verbunden, der sich in Deutschland deutlich zeigt. Die Kaufkraft der Bevölkerung in Deutschland wäre, wenn Deutschland die angemessene Währung gehabt hätte, real erheblich gestiegen als es mit der einheitlichen Währung Euro der Fall war. So sehr die falsche Währung dem Export der Unternehmen in Deutschland zugute kommt, so wenig der Bevölkerung in Deutschland. Das allseitige Unrecht dieser Währungspolitik ist offensichtlich. Jeder Versuch, die Staatshaushalte und die privaten Haushalte, auch die unternehmerischen einschließlich denen der Banken zu unterstützen oder (vergeblich) gar zu sanieren, um die in den Währungsraum einbezogenen Volkswirtschaften an die Voraussetzungen einer einheitlichen Währung heranzuführen, dient dem Erhalt der Einheitswährung, als des Euro, weil diese Einheit sonst erst recht zerbricht. Sie wäre ohne die Rettungspolitik längst zerbrochen, was nicht heißt, daß die Rettungspolitik dauerhaft hilfreich ist. Sie „kauft Zeit“, wie allgemein gesagt wird. Den Bestand der Währung, deren Stabilität ESZB und EZB zu verantworten haben, durch Staatsfinanzierung zu bewahren, stuft die EZB zu unrecht als Geldpolitik ein. So versucht die EZB ihre Maßnahmen zu rechtfertigen. Aber sie blendet aus ihre Apologie aus, daß ihr die Staats- und Haushaltsfinanzierung strikt untersagt ist.
c) Die soeben skizzierten ökonomischen Zusammenhänge sind offenkundig und waren auch den Autoren des Maastricht-Vertrages bekannt. Schließlich haben sie stets hervorgehoben, daß die dritte Stufe der Währungsunion, die Einführung der einheitlichen Währung, die Konvergenz der beteiligten Volkswirtschaften verlangt. Diese „notwendige Voraussetzung“ (im engeren Sinne) wurde nicht eingehalten. Weit überwiegend haben die Volkswirte Deutschlands und anderer Länder die Krönungstheorie vertreten, nach der die Volkswirtschaften erst zu einem optimalen Währungsraum zusammenwachsen müssen, bevor eine einheitliche Währung eingeführt wird, die dann fast selbstverständlich vom Markt vorweggenommen wird, so daß die Währungsunterschiede nur noch lästige Kosten hervorrufen. Das kam in dem Slogan zum Ausdruck: Ohne politische Union keine Währungsunion, den auch Helmut Kohl oft genug ausgesprochen hat, der als Bundeskanzler den Maastricht-Vertrag durchgesetzt hat. Die politische Union, welche die Wirtschafts- und Sozialunion einschließt, bestand weder 1992 noch 1998, noch besteht sie heute und sie ist auch auf absehbare Zeit nicht erreichbar, weder politisch (Zustimmung der Völker in Referenden), noch erst recht nicht ökonomisch, jedenfalls nicht mit dem Binnenmarkt und dem Euro, wie dargelegt. Aus diesem Grunde haben die Regierungen und Parlamente auf die notwendigen Voraussetzungen einer Währungseinheit verzichtet und meinten, diese komme mit der Währungsunion im sinne einer Hebeltheorie von selbst, ein großer Irrtum, ein leichtfertiges Abenteuer. Der Irrtum ist praktisch erwiesen, aber das Abenteuer wird nicht beendet, weil noch nicht alle beteiligten Staaten ihre Kreditwürdigkeit verloren haben, jedenfalls Deutschland nicht, vor allem weil ihm noch die systemimmanenten Vorteile von Binnenmarkt und Währungseinheit zugute kommen. Die Rettungsschirme und die Staatsfinanzierungsmaßnahmen von ESZB und EZB versuchen die politische Union zu erzwingen. Sie zwingen die wettbewerbsschwachen und darum hilfsbedürftigen Mitgliedstaaten des Euro-Verbundes zu einer Austeritätspolitik, welche diese noch mehr ins Unglück, d. h. in Rezession und Deflation, also Unternehmensinsolvenzen und Arbeitslosigkeit, reißt. Erklärtes Ziel ist unter dem Schlagwort „Mehr Europa“ nicht nur die Verteidigung des Euro, sondern darüber hinaus der Großstaat Europa, ein postnationales Staatsgebilde, das schlechterdings mit freiheitlichen und demokratischen Prinzipien unvereinbar ist, ganz abgesehen von den verfassungsgesetzlichen Voraussetzungen, die das Bundesverfassungsgericht im Lissabon-Urteil ausgesprochen hat.
d) All die Zwecke, die entgegen den Verträgen und den Verfassungen, entgegen der praktischen politischen und ökonomischen Vernunft, verfolgt werden und die man als hilfreich für die Geldpolitik im weitesten Sinne verteidigen kann, weil Geldpolitik in die Gesamtpolitik eingebettet und Politik allgemein in die jeweilige Lage eingebunden ist, helfen nicht darüber hinweg, daß monetäre Haushalts- und Staatsfinanzierung verboten ist, durch die Verfassungsgesetze, in Deutschland durch Art. 88 S. 2 GG, und durch das wirtschaftliche Stabilitätsprinzip aus dem Sozial(staats)prinzip sowie aus der Eigentumsgewährleistung, in der Europäischen Union durch Art. 123 AEUV, aber auch die monetäre Finanzierung fremden Staaten durch das Bail-out-Verbot des Art. 125 AEUV. Geldpolitik durch monetäre Haushalts- / Staatsfinanzierung ist spezifisch untersagt, explizit dem ESZB und der EZB durch Art. 123 AEUV. Den optimalen oder auch nur den hinreichenden, nämlich konvergenten Währungsraum, in dem und für den das Zentralbankensystem durch seine Geldpolitik vorrangig für Preisstabilität sorgen soll, sind die Mitgliedstaaten der Währungsunion verpflichtet.
e) Untrüglichen Beweis für monetäre Staatsfinanzierung einer Zentralbank und damit auch für ESZB und EZB ergibt der Hankel-Test (Rettung vor dem Euro. Wie schützen sich Europas Bürger vor dem Währungs-Wahn? i. E., S. 73 f.). Wilhelm Hankel schreibt:
„Eine „Brandmauer“ zwischen Geld-Schöpfung und monetärer Staatsfinanzierung sieht anders aus. Es darf nur ein Angebot der EZB in dieser Sache geben: Die Verkäufer dieser Papiere (Staat oder Banken) lassen den Verkaufserlös bei der EZB stehen oder legen ihn dort umgehend wieder an (auf einem Sperr-Konto, das durchaus in Höhe der bisherigen Renditen verzinst werden könnte). Dann und nur dann wäre es glaubwürdig, wenn Herr Draghi versichert, “nur“ den Euro schützen zu wollen und nicht heimlich doch verbotene monetäre Staatsfinanzierung zu betreiben. (Falls es der EZB an praktischer Erfahrung mit diesem Verfahren fehlen sollte: Die BuBa könnte aushelfen. Auch sie benutzte Staats-Titel, wenn auch nur Kurzläufer, für ihre Geldmarkt- Strategie. Doch wenn sie diese ankaufte, sah der Bund keinen Pfennig von diesem Geld; und wenn sie verkaufte sowieso nicht, denn es floss ja aus dem Geld-Kreislauf zu ihr zurück)“.
Wenn somit der Kauf von Staatsanleihen durch das ESZB und die EZB Zinssteuerung im Interesse der Preisstabilität bezweckt, nicht aber die verbotene Finanzierung des Staatshaushalts, darf das durch den Kauf geschöpfte Zentralbankgeld nicht dem Staat, der die Staatsanleihen aufgelegt hat, zur Verausgabung übertragen werden, damit er etwa seine Schulden begleicht, seine Personal entlohnt oder Sozialleistungen bezahlt. Der Zweck muß rein geldpolitisch im engeren Sinne sein, etwa die Zinssatzpflege.
Staaten können und dürfen im Gegensatz zu Staatenverbünden, denen die Staatsfinanzierung jedenfalls durch die Zentralbanken untersagt ist, fiskalisch, aber eben nicht monetär den inneren Finanzausgleich betreiben. Optimale Währungsräume gleichen dagegen ihre internen ungleichen Leistungsbilanzen durch Kapital- und Arbeitskräftemobilität aus. So geschieht das seit der Wiedervereinigung Deutschlands zwischen den alten und den neuen Ländern und seit jeher in den USA. Doch diesen Dienst leistet im Euro-Verbund nur der Kapital-, nicht aber der Arbeitsmarkt. Die Mobilität der Arbeitnehmer ist im Gegensatz zu den USA (15% bis 20% je nach Konjunktur) vor allem wegen der Sprachbarrieren gering. Ein gemeinsamer Arbeitsmarkt ist in der Europäischen Union nicht zu erwarten. Auch die Gewerkschaften fördern diesen nicht, nicht zuletzt wegen deren nationalen Organisationsstrukturen. Das würde zudem eine kaum zumutbare Deregulierung erfordern. Die Kapitalmobilität hat wesentlich zu der Überschuldung der Peripheriestaaten geführt. Auch der Kapitalmarkt stößt jetzt wegen des Euro-Risikos an unübersteigbare Risikobarrieren und hat damit die Schuldenkrise wesentlich verursacht. Das in Euro investierte Kapital der Risikoländer wird `gerettet`, nicht die Währung und nicht die Arbeit. Die (vermeintliche) Eurorettung ist der Sache nach die Rettung des fehlinvestierten Kapitals. Sie wird ökonomisch scheitern, weil die Entschuldung höhere Staatseinnahmen voraussetzt, die wegen der Sparauflagen ausgeschlossen sind. Eine dem Euro-System angemessene marktwirtschaftliche Lösung verlangt die Abschreibung der wertlos und illiquide gewordenen Staatstitel und gegebenenfalls die Insolvenz (Konkurs) der Schuldner, der Schuldnerstaaten und auch ihrer Gläubiger, der Banken (vgl. W. Hankel, a.a.O., das Manuskript kann nachgereicht werden)
ESZB und EZB handeln, als gäbe es den Staat, zudem als hätten sie die Befugnis zum fiskalischen Finanzausgleich mit geldpolitischen Instrumenten. Sie handeln, als seien sie der Staat. Das erhärtet das unten noch einmal angesprochene Argument, daß die Europäische Union längst funktional ein Bundesstaat ist, jedenfalls so agiert, freilich gegen das Recht. Das Abenteuer eine Währungsunion in verschiedenen Staaten gibt es nur einmal, in Europa.
Die ESZB und EZB kaufen die Staatsanleihen, um den Staaten, welche die Anleihen auflegen, zinsgünstig die Schuldentilgung, sprich Schuldenumschichtung, zu ermöglichen, ja um diesen überhaupt Kredit zu verschaffen, den sie am Finanzmarkt entweder nicht mehr haben oder nur zu ruinösen Zinssätzen. Sie finanzieren die Staatshaushalte, ohne mit den Staatsanleihen werthaltige Sicherheiten zu erhalten. Die Ratings der Staatsanleihen ist seit 2008 auf BBB herabgestuft, für Anleihen aus Griechenland, Portugal und Irland, den Staaten, die Hilfe zur Staatsfinanzierung erhalten, ist die Bonitätsprüfung ausgesetzt. ESZB und EZB stellen die Uneinbringlichkeit des Rückkaufs der Staatsanleihen in Rechnung und werden die Forderungen als Verluste abschreiben. Das ist für die Zentralbanken nur ein Buchungsvorgang, der allenfalls den Gewinn, der sich aus den Bilanzen errechnet, schmälert, aber mangels Insolvenzfähigkeit nicht bestandsrelevant ist. Eine Zentralbank hat die Befugnis, ja das `Monopol` der Ausgabe von Banknoten, die ESZB und EZB von Euro-Banknoten (Art. 128 Abs. 1 AEUV), die EZB das „ausschließliche Recht“, die Ausgabe von Euro-Banknoten zu genehmigen (Art. 128 Abs. 1 S. 1, 282 Abs. 3 S. 2 AEUV). Die Geldmengenerweiterung durch die monetäre Staatsfinanzierung schafft die Inflationsgefahr und belastet das Vertrauen in die Währung, gefährdet somit die Preisstabilität, die zu gewährleisten Aufgabe von ESZB und EZB ist. Darum ist sie ihnen verboten.
f, aa) Ihre Haushalts- / Staatsfinanzierung haben die ESZB und die EZB ist bislang nicht durch Beschlüsse der EZB, jedenfalls nicht öffentlich bekannte Beschlüsse, davon abhängig gemacht, daß die Mitgliedstaaten, deren Staatsanleihen erworben oder als Kreditsicherheiten akzeptiert werden, sich unter den `Rettungsschirm` EFSF begeben haben oder sich sonst einer Austeritätspolitik, wie Griechenland, unterworfen haben. Allerdings haben ESZB und EZB ihren Erwerb von Staatsanleihen am offenen Markt daran ausgerichtet, daß den hilfsbedürftigen Staaten notwendige Hilfen zur Staatsfinanzierung geleistet wurden. Staatsanleihen Italiens und Spaniens jedenfalls, die nicht die Unterstützung ihres Staatshaushalts vom EFSF beantragt hatten, sind durch Erwerb ihrer Staatsanleihen durch das ESZB, zumal ihrer nationalen Zentralbanken, und damit durch Intervention der EZB bei ihrer Finanzierung des Staatshaushalts gestützt worden. Das hat den Zinsauftrieb des Finanzmarktes zu ihren Gunsten nicht nur gebremst, sondern, jedenfalls vorübergehend, gewendet. Einigen Nationalbanken hat die EZB auch besondere Ermächtigungen eingeräumt, Staatsanleihen ihrer Länder zu übernehmen, um diesen Staaten den Zugang zum Finanzmarkt zu erleichtern.
bb) Zu dieser monetären Staatsfinanzierung gehört die unterschiedliche Behandlung der Mitgliedstaaten des Euro-Verbundes, solange nur einige Staaten die Hilfsvoraussetzungen erfüllen Das erweist nicht nur den fiskalpolitischen Charakter der Maßnahmen, sondern verletzt auch das grundlegende Diskriminierungsverbot der Europäischen Union (Art. 2 und 9 EUV); denn die Maßnahmen wirken sich auf die Bürger der Union ungleich aus. Geldpolitik kann ihrem Begriff nach nicht zwischen den Staaten des Währungsraumes unterscheiden.
cc) Der Beschluß der EZB vom 6. September 2012 aber macht die Finanzierungshilfen für die Staatshaushalte explizit davon abhängig, daß die Mitgliedstaaten als Mitglieder des ESM Unterstützung vom ESM oder vom EFSF beantragen, sich deren Konditionen, insbesondere einem makroökonomischen Anpassungsprogramm, unterworfen haben und diese zu erfüllen sich bemühen. Wesentliche Teile des Beschlusses des OMT sind oben zu I 1 zitiert. Die Konditionierung des Erwerbs der Staatsanleihen widerspricht dem geldpolitischen Charakter dieses Erwerbs und beweist, daß er allein der Haushalts- /Staatsfinanzierung dient. Monetäre Politik kann nicht fiskalpolitische Konditionen machen. Sie ist ausschließlich auf spezifisch geldpolitische Instrumente beschränkt. Diese Einsicht wird durch eine Äußerung von Jürgen Stark, der Chefvolkswirt der EZB war und aus Protest gegen deren Staatsanleihekäufe zurückgetreten ist, gestützt, nämlich:
„Geldpolitik kann und darf nicht an Bedingungen geknüpft werden. Indem eine Zentralbank ihr Handeln vom Verhalten Dritter abhängig macht, ist dies nicht mehr geldpolitisch begründbar“ (Gastbeitrag für die Welt, berichtet vom Handelsblatt Online 13./14. September 2012).
In diesem Sinne hat er sich auch in einem Interview mit dem Handelsblatt geäußert: „Das ist keine Geldpolitik mehr“ (23. Oktober 2012, Handelsblatt Online).
dd) Das folgt auch daraus, daß das ESZB und die EZB keinerlei Befugnis haben, den Mitgliedstaaten politische Auflagen zu machen, bevor sie vermeintlich geldpolitische Maßnahmen am offenen Markt durchführen. Die Konditionen werden zwischen dem Staat, der den Hilfsantrag stellt, und dem EFSM oder dem ESM ausgehandelt und im Memorandum of Understanding festgeschrieben. Die Zentralbanken machen sich somit von der Politik abhängig. Das widerspricht ihrer vertraglich und verfassungsgesetzlich vorgeschriebenen Unabhängigkeit. Abgesehen davon, daß die Konditionierung mit der Souveränität der betroffenen Staaten unvereinbar ist, ist es keinesfalls Aufgabe und Befugnis des ESZB und der EZB die Konditionen des ESM oder auch des EFSF durchzusetzen. Zentralbanken haben keine Polizeiaufgaben. Die Konditionierung ist nichts anderes als Staatshaushaltspolizei durch fremde Mächte. Auch Art. 136 Abs. 3 AEUV trägt derartige Selbstermächtigungen nicht. Abgesehen davon, daß diese neue Vertragsbestimmung, die in diesem Verfahren auch im Streit ist (Antrag zu 1 der Verfassungsbeschwerdeschrift und die dazugehörige Begründung S. 7 ff., 10 ff.), dem sonstigen Vertrag, zumal dem Bail-out-Verbot des Art. 125 AEUV und den Haushaltsdisziplinierungsregelung des Art. 126 AEUV, widerspricht und wegen mangelnder Bestimmtheit rechtstaatswidrig und demokratiewidrig ist, gibt sie dem Zentralbanksystem keine Interventionsermächtigung. Art. 136 Abs. 3 AEUV lautet:
„Die Mitgliedstaaten, deren Währung der Euro ist, können einen Stabilitätsmechanismus einrichten, der aktiviert wird, wenn dies unabdingbar ist, um die Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt zu wahren. Die Gewährung aller erforderlichen Finanzhilfen im Rahmen des Mechanismus wird strengen Auflagen unterliegen.“
Aus diesem Wortlaut ist schlechterdings keine Erweiterung der Befugnisse des ESZB und der EZB abzulesen, die in Art. 123 und Art. 127 ff., 282 ff. AEUV geregelt sind. Diese Ermächtigung zum ESM, der durch völkerrechtlichen Vertrag eingerichtet werden mußte und wurde, relativiert keinesfalls das monetäre Staatsfinanzierungsverbot. Der Senat hat dieses in diesem Verfahren, dessen Gegenstand auch und vor allem der ESM und dessen Grundlage im Art. 136 Abs. 3 AEUV ist, im Urteil vom 12. September 2012, wie zitiert, klar und deutlich ausgesprochen und gefestigt.
g) Im übrigen wäre eine Ermächtigung der Zentralbanken zu einer Art Staatshaushaltspolizei mit dem Zwangsinstrument der Entziehung der Kreditierung durch Erwerb von Staatsanleihen oder deren Akzeptanz als Kreditsicherheit staatspolitisch abwegig, aber auch kraß demokratiewidrig und rechtsstaatswidrig. Sie wäre auch wegen der Unabhängigkeit der Zentralbanken mit den Prinzipien parlamentarische Demokratie unvereinbar. Die Unabhängigkeit schließt ja gerade die demokratisch essentielle Kontrolle der Handlungen der Zentralbanken durch die Parlamente aus. Das ist der vermeintlich legitimierende Zweck der Unabhängigkeit, deren Vereinbarkeit mit dem demokratischen Prinzip, erst durch de Maastricht-Vertrag mit verfassungsgesetzlichem Rang eingeführt (Art. 108 EGV; jetzt Art. 130 AEUV, folgend Art. 88 S. 2 GG) eher fragwürdig ist (vgl. aber BVerfGE 89, 155 (199, 207 ff.)) . Jedenfalls folgt aus diesem Unabhängigkeitsstaus die strikte Begrenzung der Zentralbanken auf (vermeintlich expertokratische) ihre geldpolitische Aufgabe und Befugnis. Das Argument, die besondere Sachverständigkeit, welche die Geldpolitik erfordere, rechtfertige die Unabhängigkeit der Zentralbanken, widerspricht der Auswahl des Rates der EZB, in dem jeder Mitgliedstaat des Euro-Verbundes Sitz und Stimme hat. Die besten Experten können schließlich aus einem Land kommen. Folglich wirkt der typisch völkerrechtliche Prinzip der gleichheitlichen Repräsentanz der Mitgliedstaaten und die augenscheinlich berechtigte Sorge, der Rat der EZB könnte von nationale Interessen bestimmt werden, in die Besetzung des Gremiums ein, das im Verhältnis zu den vertretenen Bürgerschaften keinesfalls demokratisch besetzt ist, zumal nicht für die staatliche Aufgabe der Fiskalpolitik, die sich das ESZB und die EZB zumessen. Sie haben von Rechts wegen jeden Anflug von Befugnisüberschreitung und Mißbrauch zu vermeiden. Zu der Aufgabe, die Geldpolitik zu bewerkstelligen, kann eine Verantwortung des Zentralbankensystems für die Erfüllung der Konditionen durch die mittels der Staatsanleihekäufe begünstigten Staaten schon aus staats- und auch völkerrechtlichen Gründen nicht gehören. Sie ist Herrschaft nach Gutsherrenart mit Zuckerbrot und Peitsche. Das kann wirksam sein, ist aber grobes Unrecht. Jedenfalls für Deutschland ist ausweislich der Arbeit der Präsidenten der Bundesbank im Rat der EZB, die dessen Staatsfinanzierungsbeschlüsse ablehnen, reine Fremdherrschaft ausgerechnet über die finanziellen Ressourcen Deutschlands.
h) Die EZB erweitert der Sache nach den Kreditierungsrahmen des ESM ins Uferlose; denn sie hat beschlossen, unbegrenzt Staatsanleihen zu erwerben, wenn ihre Voraussetzungen erfüllt sind. Das sind die Verträge mit dem ESM, selbst nicht demokratisch legitimiert, wie in der Verfassungsbeschwerdeschrift dargelegt (S. 52 f. zu II 3 d, ee), welche nach Art. 136 Abs. 3 AEUV die „Gewährung der erforderlichen Finanzhilfen im Rahmen des Mechanismus von strengen Auflagen“ abhängig machen sollen. Die Leistungsfähigkeit des ESM ist begrenzt. Er wird das vereinbarte Grundkapital nicht einbringen können, weil viele seiner Mitglieder die von ihnen gewährleisteten Zahlungspflichten nicht werden erfüllen können, zumal viele selbst der Hilfe des ESM bedürfen. Auch Deutschlands Leistungsfähigkeit ist begrenzt. Seine vertragliche Verpflichtung ist bislang auf die Finanzierung eines Kapitalanteils von 190 Milliarden Euro begrenzt. Das hat der Senat gemäß dem Vertrag im Urteil vom 12. September 2012 klargestellt. Die Mitglieder des ESM, die Mitglieder des Rates der EZB, zum Teil von einer der sachkundigsten Banken, nämlich Goldman-Sachs geschult, und die Marktteilnehmer wissen um die fragwürdige Bonität des ESM, der schon jetzt nicht mehr das bestmögliche Ranking hat. Eine Aufstockung des Gewährleistungsrahmens des ESM dürfte auf politische Grenzen stoßen, weil und insoweit die Parlamente der Vertragsänderung zustimmen müßten. Demgegenüber ist das System der Zentralbanken unabhängig und mißbraucht bei erster Gelegenheit diese Unabhängigkeit zu vertrags- und verfassungswidriger Staatsfinanzierung. Es maßt sich finanzpolitische Souveränität an, als bestünde im Euro-Verbund ein Ausnahmezustand, wie ihn Carl Schmitt, der nicht gerade ein Lehrer der Demokratie und des Rechtstaats war, in seiner Politischen Theologie, 1923/1934, erörtert hat. Schmitt hat den als den Souverän erkannt, der im Ausnahmezustand die Macht an sich zieht, um den Staat zu retten, notfalls durch eine neue Art des Rechts. Abgesehen von der Rechtsferne der Schmittschen Dokrin besteht ein Ausnahmezustand, eine ohnehin im Verfassungsstaat fragwürdiger Begriff, nicht. Die rechtlichen und auch die tatsächlichen Möglichkeiten, die Euro-Krise zu beenden, sind gegeben, nämlich die Beendigung des Abenteuers durch Auflösung der Währungsunion dieser Art oder durch das Ausscheiden vom Mitgliedstaaten des Euro-Verbundes, etwa Deutschlands. Das ist auch notwendig und wird unvermeidlich. Der Senat hat im Schlußsatz des Urteils vom 12. September 2012 erneut, wie schon das Maastricht-Urteil (BVerfGE 89, 155 (204 f.)), darauf hingewiesen. Das wäre auch ökonomisch der einzig gangbare Weg, der ohnehin wird beschritten werden müssen. Der Schaden des Austritts aus dem Euro-Verbund, der im übrigen entgegen den Drohszenarien, die interessiert verbreitet werden, nicht die Ausnahme erreichen wird wie der mit jedem Tag der Fortsetzung des Euro-Abenteuers immer größer werdende Schaden.
2. Die Grundrechtsverletzung der Beschwerdeführer durch das TARGET 2-System habe ich in der Beschwerdeschrift vom 29. Juni 2012 zu VII, 3a –d, S. 117 ff., insbesondere zu c und d, S. 120 f., dargelegt. Ich ergänze diese Begründung wie folgt:
a) Das Bundesverfassungsgericht hat solche Beanspruchungen des Haushalts für verfassungswidrig erklärt (2 BvR 987/10 vom 7.September 2011, Abs. 127 f.). Es hat in den Absätzen 127 f. ausgeführt:
„Eine notwendige Bedingung für die Sicherung politischer Freiräume im Sinne des Identitätskerns der Verfassung (Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2, Art. 79 Abs. 3 GG) besteht darin, dass der Haushaltsgesetzgeber seine Entscheidungen über Einnahmen und Ausgaben frei von Fremdbestimmung seitens der Organe und anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union trifft und dauerhaft „Herr seiner Entschlüsse“ bleibt. Zu diesem Grundsatz stehen Gewährleistungsermächtigungen, mit denen die Zahlungsfähigkeit anderer Mitgliedstaaten abgesichert werden soll, in einem erheblichen Spannungsverhältnis. Es ist zwar in erster Linie Sache des Bundestages selbst, in Abwägung aktueller Bedürfnisse mit den Risiken mittel- und langfristiger Gewährleistungen darüber zu befinden, in welcher Gesamthöhe Gewährleistungssummen noch verantwortbar sind (vgl. BVerfGE 79, 311 ; 119, 96 ). Aus der demokratischen Verankerung der Haushaltsautonomie folgt jedoch, dass der Bundestag einem intergouvernemental oder supranational vereinbarten, nicht an strikte Vorgaben gebundenen und in seinen Auswirkungen nicht begrenzten Bürgschafts- oder Leistungsautomatismus nicht zustimmen darf, der – einmal in Gang gesetzt – seiner Kontrolle und Einwirkung entzogen ist. Würde der Bundestag in erheblichem Umfang zu Gewährleistungsübernahmen pauschal ermächtigen, könnten fiskalische Dispositionen anderer Mitgliedstaaten zu irreversiblen, unter Umständen massiven Einschränkungen der nationalen politischen Gestaltungsräume führen.
Daher dürfen keine dauerhaften völkervertragsrechtlichen Mechanismen begründet werden, die auf eine Haftungsübernahme für Willensentscheidungen anderer Staaten hinauslaufen, vor allem wenn sie mit schwer kalkulierbaren Folgewirkungen verbunden sind. Jede ausgabenwirksame solidarische Hilfsmaßnahme des Bundes größeren Umfangs im internationalen oder unionalen Bereich muss vom Bundestag im Einzelnen bewilligt werden. Soweit überstaatliche Vereinbarungen getroffen werden, die aufgrund ihrer Größenordnungen für das Budgetrecht von struktureller Bedeutung sein können, etwa durch Übernahme von Bürgschaften, deren Einlösung die Haushaltsautonomie gefährden kann, oder durch Beteiligung an entsprechenden Finanzsicherungssystemen, bedarf nicht nur jede einzelne Disposition der Zustimmung des Bundestages; es muss darüber hinaus gesichert sein, dass weiterhin hinreichender parlamentarischer Einfluss auf die Art und Weise des Umgangs mit den zur Verfügung gestellten Mitteln besteht. Die den Deutschen Bundestag im Hinblick auf die Übertragung von Kompetenzen auf die Europäische Union treffende Integrationsverantwortung (vgl. BVerfGE 123, 267 ) findet hierin ihre Entsprechung für haushaltswirksame Maßnahmen vergleichbaren Gewichts“.
b) Der verfassungswidrige „Leistungsautomatismus“ umfaßt nicht allein Zahlungspflichten, vielmehr ist der Leistungsbegriff weiter zu fassen. Die Euro-Rettungsmaßnahmen nehmen durchgehend die Leistungsfähigkeit Deutschlands in Anspruch. Ohne Beteiligung Deutschlands hätte der Euro einen weitaus geringeren Wert und damit eine weitaus geringere Finanzierungskraft oder Kaufkraft. Nur darum verharren die weniger leistungsfähigen Mitgliedstaaten im Euro-Verbund, entgegen der ökonomischen Vernunft, welche ihnen die Abwertung ihrer Währung rät, die ihnen wieder die Wettbewerbsfähigkeit oder Markfähigkeit verschaffen würde. Sie haben über Jahre bis zur Schuldenkrise die Zinssubvention in Anspruch genommen, welche ihnen die Beteiligung hauptsächlich Deutschlands gegeben hat. Die Zinsentwicklung in den Peripheriestaaten vor der Einführung des Euro war bekanntlich eine gänzlich andere als in Deutschland. Aber diese hatte auch die disziplinierende Wirkung für die Staatshaushaltspolitik (wie auf den Privatkonsum), die jetzt mit den „strengen Auflagen“ erreicht werden soll, freilich völkerrechts- und verfassungswidrig, zudem ineffizient und friedlos. Die Zinssubvention hat Deutschland mit außerordentlichen Kosten belastet. Sie hat, weil das Kapital in die Länder mit (noch einige Jahre) geringeren Lohnkosten abgeflossen ist, insbesondere zu einem Investitionsstau in Deutschland geführt, der einen erheblichen Rückschritt der deutschen Wirtschaftsentwicklung bewirkt hat. Erst der zum Teil untragbare Zinsanstieg in den Peripheriestaaten des Euro-Verbundes hat die Entwicklung umgekehrt. Durch die Schuldenkrise, die sich unvermeidlich entwickeln mußte und das Vertrauen der Finanzwirtschaft in die Schuldentragfähigkeit der insolvenzgefährdeten Peripheriestaaten ruiniert hat, mußte die Zinssubvention ihre Technik ändern. Eine andere Art der Subventionierung dieser Staaten wurde (scheinbar) notwendig, „alternativlos“: die Finanzhilfen der `Rettungsschirme` und schließlich die monetäre Staats- und Wirtschaftsfinanzierung. Sie veranlaßt u. a. die EZB zu einer Niedrigstzinspolitik (zur Zeit beträgt der Leitzins 0,75 %), welche die Spareinlagen in Deutschland entwertet, die Lebensversicherungen entwertet und vieles mehr. Freilich profitieren auch die deutsche Wirtschaft und vor allem der deutsche Staat von dieser Zinspolitik. Die Staatsanleihen Deutschlands sind so kostengünstig, aber auch renditeschwach wie lange nicht. Vorausgesetzt ist immer die einheitliche Währung, welche die Aufwertung der in Deutschland geltenden Währung ausschließt. Dadurch verlieren die Verbraucher in Deutschland Kaufkraft in erheblicher Höhe, geschätzt werden bis zu 50%. Das sind schwere Belastungen und exorbitante Kosten Deutschlands, welche durch die Exportbegünstigung durch die für Deutschland unterbewertete Währung in keiner Weise ausgeglichen werden. Der Binnenmarkt würde hingegen mit aufgewerteter Währung Verluste des europäischen und globalen Marktes weitgehend oder völlig ausgleichen können. Zudem ist das `Preisdumping` durch die Unterbewertung der Währung mit weltwirtschaftsrechtlichen Prinzipien des fairen Wettbewerbs unvereinbar. Die Auflistung der Leistungen Deutschlands für die einheitliche Währung könnte verlängert werden. Jedenfalls werden Deutschland durch das TARGET 2-System, welches als Staats- und Wirtschaftsfinanzierung wie Euro-Bonds wirkt, ohne jeden Einfluß des deutschen Parlaments als des Vertreters des deutschen Souveräns, der Bürger, außerordentliche Leistungen abverlangt. Mit dem demokratischen Prinzip ist das nicht zu vereinbaren. Dieses ist nicht auf die Haushaltsautonomie im engeren Sinne begrenzt. Sondern erfaßt die gesamte Politik in und für Deutschland, die Innen- und die Außenpolitik.
c) Wenn man der mehrfach veröffentlichten Auffassung Hans-Werner Sinns folgt, daß das TARGET 2-System eine Haftungsautomatismus einrichtet, der zur Haftung Deutschlands, sprich zu Zahlungsverpflichtungen Deutschlands in mehreren Hunderten von Milliarden Euro führen kann, ergibt sich die Unvereinbarkeit des TARGET 2-Systems allein schon daraus, daß diese die Haushaltsautonomie des Deutschen Bundestages wahrlich entleerenden Verpflichtungen mit dem demokratischen Prinzip ausweislich der zitierten Erkenntnisse des Erkennende Senats aus dem Urteil vom 7. September 2011 schlechterdings unvereinbar sind, zumal der Bundestag dem verpflichtenden Haftungsautomatismus nicht zugestimmt hat, ja nicht einmal Gelegenheit hatte zuzustimmen. Der Deutsche Bundestag kann seine haushaltspolitische Gesamtverantwortung, die unabänderlicher Teil des demokratischen Prinzips ist (BVerfGE 129, 124 (178 f.); Urteil vom 12. September 2012, Absätze 211, insb. 222 u. ö.) nicht mehr wahrnehmen. Mit gewissen Einschränkungen schließen sich die anderen am Verfahren beteiligten Beschwerdeführer den Überlegungen Sinns an, freilich ohne eine Rechtsgrundlage für die Haftung im Sinne von Zahlungsverpflichtungen zu benennen oder auch nur zu suchen. Ich teile diese Rechtsauffassung Sinns nicht. Dennoch sind die wirtschaftlichen und politischen Belastungen Deutschlands, wie dargelegt, gravierend und demokratie-, rechtsstaats- und vor allem sozial(staats)widrig. Zudem sind sie mit der Souveränität der Bürger nicht vereinbar.
d) Allgemein darf Deutschland nicht „fremdbestimmt“ in eine vertrags- und verfassungswidrige Lage gezwungen werden, so daß es nicht mehr Herr seiner selbst ist, nicht mehr die Hoheit über die Rechtlichkeit der Verhältnisse Deutschlands hat. Das würde seine Souveränität als die Freiheit seiner Bürger essentiell verletzen. So aber wirkt das TARGET 2-System, vor allem weil es zur automatischen Staats- und Wirtschaftsfinanzierung der exportschwachen Mitgliedstaaten des Euro-Verbundes führt. Zur Zulässigkeit unter I 2 d in Verbindung mit I 1 c sind die verschiedenen Verletzungen der Grundprinzipien des deutschen Rechts, zumal das demokratischen Prinzips, der Souveränität als der Freiheit der Bürger und des Rechtstaatsprinzips, und damit die Grundrechtsverletzung der Beschwerdeführer dargelegt. Hinzu kommt die Verletzung des Sozial(staats)prinzips durch den Verlust an Kaufkraft usw., wie soeben erörtert, in Deutschland. Der Geldwert kann auch in anderer Weise gemindert werden als durch Minderung der Kaufkraft, die am Warenkorb gemessen wird. Der Warenkorb ist ein fragwürdiger Maßstab. Die volkswirtschaftlichen Einflußfaktoren auf den Geldwert sind sehr vielfältig. Einige sind aufgeführt.
e) Das TARGET 2-System gehört zu den funktional bundesstaatlichen Einrichtungen der Europäischen Union. Zum Bundesstaat darf diese nicht entwickelt werden, ohne daß die verfassungsgesetzlichen Voraussetzungen geschaffen worden sind, vor allem muß die Unionsbürgerschaft zu einem Volk mit originärer Staatsgewalt verfaßt werden. Dazu ist in der Verfassungsbeschwerdeschrift zu I 2, S. 11 und oben zu I 1 c, ff., S. 11 f., Stellung genommen. Die funktionale und institutionelle Bundesstaatlichkeit der Union ergibt sich aus der Gesamtheit der Aufgaben, Befugnisse, Instrumente und Einrichtungen derselben. Die Grenze vom Staatenbund oder auch Staatenverbund zum Bundesstaat ist längst überschritten, aber jede neue Gesamtverantwortung der Union vertieft deren Bundesstaatlichkeit. Insbesondere gemeinschaftliche oder unionale Finanzverantwortung ist bundesstaatlich. Diese wird mit allen Mitteln betrieben. Dem dienen alle Maßnahmen, welche in diesem Verfassungsbeschwerdeverfahren im Streit sind, Art. 136 Abs. 3 AEUV, der ESM, der Fiskalpakt und die entsprechenden Zustimmungsgesetze Deutschlands, das ESM-Finanzierungsgesetz Deutschlands, der Euro-Plus-Pakt, die sechs Rechtsakte der Union (six pack) und die Staats- und Wirtschaftsfinanzierungsmaßnahmen des ESZB und der EZB. Diese bundesstaatlichen Politiken ergänzen die vielfältigen Hilfseinrichtungen der Unionsfonds, die auch Finanzausgleichsfunktion haben. Die Union ist ein gewaltiges Umverteilungsgebilde. Das trägt sie, aber auf tönernen Füßen. Erstens ist das mangels verfassungsrechtlicher Grundlagen verfassungswidrig, zweitens ist es ökonomisch vernunftwidrig. Die Vergeblichkeit der Staats- und Wirtschaftsfinanzierung mittels des TARGET 2-Systems ist auch oben zu I 2 zu b und c dargelegt.
f) Subventionen können klug plaziert und genau dosiert die wirtschaftliche Entwicklung fördern. Sie können aber auch, zumal wenn sie zu Dauerhilfen werden, auf welche sich Staaten, Wirtschaft, Unternehmer und Arbeitnehmer, aber auch und Konsumenten einrichten, die Entwicklung der Staaten und der Wirtschaft lähmen und mehr zum Niedergang von Volkswirtschaften beitragen. So war und ist es weitgehend noch in den hilfsbedürftigen Peripheriestaaten. Insbesondere sind dort die Arbeitsmärkte mit der Folge hoher Arbeitslosigkeit vor allem der Jugend verkrustet. Die Entwicklung in der Europäischen Union bestätigt somit diese Erfahrung. Allerdings haben die Konstruktionsmängel, insbesondere der Binnenmarkt jedenfalls in Verbindung mit der einheitlichen Währung, den im relevanten Maße weniger entwickelten Volkswirtschaften nicht nur am Aufstieg gehindert, sondern deren Niedergang erzwungen. Kurzfristige Kostenvorteile, insbesondere leistungswidrig niedrige Kreditzinsen, aber auch die anderen Subventionen, mußten mittelfristig und erst recht langfristig zum Niedergang führen, weil die notwendige Entwicklung der Produktivität und Senkung der Stücklohnkosten dank der Erleichterungen auch und insbesondere der kreditären Finanzierung der Sozialleistungen vernachlässigt wurden. Industrien wurden allenfalls anfänglich aufgebaut, sind aber mangels Wettbewerbsfähigkeit wieder verschwunden. Alte Industrien wurden nicht modernisiert oder aus dem Binnenmarkt und auch aus dem Weltmarkt verdrängt, weil sie einerseits nicht geschützt werden konnten und andererseits wegen der leistungswidrigen Währung nicht wettbewerbsfähig waren. Die Stücklohnkosten Frankreichs etwa sind seit Einführung des Euro um fast 30% mehr gestiegen als die Deutschlands. Die Beamtengehälter Griechenlands sind seitdem um etwa 80 % gestiegen und die Löhne um fast 50%. Sie sind jetzt wegen der Rettungsauflagen wieder gesenkt worden, haben aber das leistungsgerechte Niveau vor der Subventionierung durch die einheitliche Währung längst nicht wieder erreicht.
g) Mit harten Disziplinierungsmaßnahmen versuchen die Union und der IWF unter Einsatz der sogenannten Troika die Verzerrungen der Volkswirtschaften und damit der Staatshaushalte der hilfesuchenden Mitgliedstaaten des Euro-Verbundes wieder zurückzuführen, welche die währungsbedingten Zins- und sonstigen Subventionen herbeigeführt haben. Der Euro, den auch das ESZB und die EZB, im übrigen gegen den Widerspruch der Bundesbank, zu verteidigen versuchen, hat den Völkern und Staaten mit weniger entwickelten Volkswirtschaften unermeßlichen Schaden zugefügt. Er mag den Finanzmanagern und manchen Exporteuren genützt haben, nicht den Völkern Europas. Vor allem nützt die Euro-Rettungspolitik den Banken aller Welt, die in den nicht hinreichend schuldentragfähigen Staaten renditeträchtige Risiken eingegangen sind. Um der Vision eines zum Großstaat vereinten Europas willen wird der Euro als der Hebel zu dieser Umwälzung verteidigt, gegen die Verträge und vor allem gegen die Verfassungsgesetze, im übrigen auch gegen den Willen der großen Mehrheit der Bürger.
3. Der Hilfsantrag zu 7 a ist aus den Gründen, die für die Begründetheit des Antrags zu 7 dargelegt sind, ebenfalls begründet. Es geht im Hilfsantrag darum ein Minimum an Rechtsklärung der Haushalts- / Staats- und Wirtschaftsfinanzierungsmaßnahmen des ESZB und der EZB zu erreichen, falls der Senat den Grundrechtsschutz der Beschwerdeführer durch das Bundesverfassungsgericht nicht zuläßt.
III Anträge zu 5 und 6
1. Der Antrag zu 5, der sich gegen die sechs Rechtsakte der Europäischen Union richtet, welche ein Art Wirtschaftsregierung für den Euro-Verbund regelt, ist in der Verfassungsbeschwerdeschrift zu V, S. 91 ff. begründet. Zur Zulässigkeit gilt das Gleiche, was für die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde gegen die Staatsfinanzierungsmaßnahmen des EZB und der EZB oben zu I 1 vorgetragen ist. Die Rechtakte der Union sind nicht nur Hoheitsakte der „öffentlichen Gewalt“ im Sinne des Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG, sondern Hoheitsakte der „deutschen öffentlichen Gewalt“. Sie können nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit der Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung des Art. 38 Abs. 1 GG gerügt werden, wenn sie die der Union zur gemeinschaftlichen Ausübung übertragenen Hoheitsrechte überschreiten, also ultra vires ergehen, ausbrechende Rechtsakte sind. Diese Verletzung des Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung ist in der Beschwerdeschrift dargelegt. Sie ist zugleich eine Verletzung der Verfassungsidentität und/oder der Souveränität der Bürger und damit der politischen Freiheit. Die Beschwerdeführer sind durch die Strukturänderung des deutschen Organisationsgefüges, welche mit einer unionalen Wirtschaftsregierung auch über Deutschland eingerichtet wird unmittelbar, persönlich und gegenwärtig betroffen. Ihre Teilhabe am politischen Willensbildungsprozeß wird durch die in den Rechtsakten begründeten Eingriffsmöglichkeiten in die Staatsgewalt Deutschlands und damit die Souveränität der Bürger im Bereich der Wirtschaftspolitik marginalisiert. Andere Rechtsschutzmöglichkeiten als die Verfassungsbeschwerde haben die Beschwerdeführer nicht. Die Beschwerde ist schon deshalb nicht verfristet, weil sie bereits am 29. Juni 2012 eingelegt worden ist.
2. Für die Verfassungsbeschwerde zum Euro-Plus-Pakt, die zu VI, S. 106 ff. in der Beschwerdeschrift begründet ist, gelten die gleichen Hinweise.
IV Anträge zu 1 bis 4
Der Erkennende Senat hat die Anträge zu 1 bis 4 im Urteil vom 12. September 2012 substantielle behandelt und ihnen keine Erfolgsaussichten beigemessen. Die Beschwerdeführer teilen die Erkenntnisse des Senats nicht. Insbesondere sind sie nicht davon überzeugt, daß die Einschätzungsspielräume von Parlament und Regierung im wirtschaftlichen und politischen Bereich derart weit sind, wie sie der Senat zugesteht, insbesondere in Absatz 216:
„Ob und inwieweit sich unmittelbar aus dem Demokratieprinzip eine justiziable Begrenzung der Übernahme von Zahlungsverpflichtungen oder Haftungszusagen herleiten lässt, hat der Senat in seinem Urteil vom 7. September 2011 offen gelassen (vgl. BVerfGE 129, 124 ). Jedenfalls kommt es im vorliegenden Zusammenhang mit seiner allgemeinen Maßstäblichkeit aus dem Demokratieprinzip nur auf eine evidente Überschreitung von äußersten Grenzen an (BVerfGE 129, 124 ). Eine unmittelbar aus dem Demokratieprinzip folgende Obergrenze könnte allenfalls überschritten sein, wenn sich die Zahlungsverpflichtungen und Haftungszusagen im Eintrittsfall so auswirkten, dass die Haushaltsautonomie jedenfalls für einen nennenswerten Zeitraum nicht nur eingeschränkt würde, sondern praktisch vollständig leerliefe (vgl. BVerfGE 129, 124 )“.
Eine „evidente Überschreitung von äußersten Grenzen“ „der Übernahme von Zahlungspflichten oder Haftungsgrenzen“, welche die „die Haushaltsautonomie jedenfalls für einen nennenswerten Zeitraume …praktisch vollständig leerlaufen“ ließe, erscheint ihnen nicht die Grenze zu sein, welche das Recht auf Demokratie zieht. Solche Gefahren darf ein freiheitliches Gemeinwesen, eine Republik, die demokratisch, rechtstaatlich und sozial sein soll, den Bürgern nicht zumuten. Das kann nicht der Wille der Bürger sein, den die Organe des Staates, das Richtige für das gute Leben aller in allgemeiner Freiheit auf der Grundlage der Wahrheit erkennend, beschließen dürfen. Das läßt ein Souverän, der dem Recht verpflichtet ist, die Bürgerschaft, nicht zu. Der politische Spielraum von Parlament und Regierung ist weitaus enger. Im Verfassungsstaat muß das Verfassungsgericht intensiver vor Mißgriffen der Politik schützen, jedenfalls vor augenfälligen schweren Gefahren für die wirtschaftliche und politische Stabilität, zumal das Euro-Abenteuer als Stabilitätsgemeinschaft gescheitert ist, erwiesen durch die Notwendigkeit von Rettungsversuchen, deren Scheitern auch jedem sichtbar ist. Es ist allgemein bekannt und ständig von Vertretern des Staates eingeräumt, daß die Eurorettungsversuche der Staatswerdung Europas dienen, dem Großstaat Europa, ein Ziel, dem alles unterzuordnen sei. „Scheitert der Euro, scheitert Europa“, ist der Schlachtruf. Dieses Ziel durch die Verteidigung einer Einrichtung, der einheitlichen Währung, die längst den Weg des Rechts verlassen hat und ökonomisch verheerende Schäden anrichtet, erreichen zu wollen, ist mit Verfassungsprinzipien der Freiheit und des Rechts nicht zu vereinbaren.
Freilich geben die Beschwerdeführer einer genaueren Kritik des Urteils vom 12. September 2012 keine Erfolgsaussichten für eine andere Erkenntnis des Senats im Hauptsacheverfahren.
Zwei weitere Exemplare des Schriftsatzes anbei.
Berlin, den 13. November 2012
Prof. Dr. iur. Karl Albrecht Schachtschneider